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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Sträucherzeilen, hielt sie die Mädchen schließlich zurück.
    »Wir sollten uns nicht so weit vom Haus entfernen«, sagte sie.
    »Aber es ist wichtig«, sagte Lucrecia beharrlich.
    Cendrine wurde allmählich ungehalten. »Ich fürchte, ihr werdet euer Geheimnis lüften müssen, falls ihr wirklich weitergehen wollt.«
    »Aber dann ist es kein Geheimnis mehr«, konterte Lucrecia verzweifelt, »das haben Sie selbst gesagt.«
    »Es ist zu gefährlich hier draußen.«
    »Ist es nicht«, sagte Salome und versuchte, sehr erwachsen zu klingen. »Mutter hat Patrouillen aufstellen lassen, die in den Weinbergen nach dem Rechten sehen.«
    »Ihr habt doch nicht etwa vor, den Garten zu verlassen?«
    »Ach, bitte, Fräulein Muck! Es ist eine Überraschung, wirklich«, bettelte Lucrecia, und Salome fügte besonnener hinzu: »Wir könnten später im Unterricht darüber sprechen.«
    Cendrine beschattete ihre Augen mit der flachen Hand und blickte über den Garten hinweg zur Außenmauer des Anwesens. Es gab dort einen schmalen Seiteneingang, der von zwei San bewacht wurde. Neben ihnen lehnten altmodische Büchsen an der Mauer. Die Männer saßen im Schneidersitz am Boden und blickten schweigend zu einem Punkt am Himmel empor. Als Cendrine ihrem Blick folgte, konnte sie nichts entdecken. Vielleicht ein Vogel.
    Lucrecia und Salome liefen schon wieder voraus, geradewegs auf das Tor zu. Cendrine unterdrückte einen Fluch und eilte hinterher. Erst bei den Wächtern holte sie die Mädchen wieder ein.
    »Also schön«, sagte sie und hielt beide an der Schulter fest.
    »Wohin wollt ihr?«
    Die Zwillinge schauten einander in stummer Absprache an, dann sagte Salome: »Oben auf den Hügelkamm. Von dort aus kann man das Dorf sehen.«
    »Und was gibt es im Dorf?«
    »Das ist ja eben die Überraschung!«
    Immerhin wußte sie jetzt, wohin es die Kinder zog. Sie wandte sich an einen der San, die nun beide ihre Himmelsbeobachtung unterbrochen hatten und sie unverwandt anstarrten.
    »Wie viele Männer sind dort draußen auf Patrouille?« fragte sie.
    »Viele, Fräulein«, sagte der San. »Viele Männer mit Gewehren.«
    »Ist es gefährlich, dort raus zu gehen?« Sie wußte selbst nicht, warum sie ausgerechnet dem San diese Frage stellte; ihm drohte gewiß keine Gefahr. Vielleicht suchte sie nur jemanden, auf den sie die Verantwortung abschieben konnte.
    »Nicht gefährlich, Fräulein«, erwiderte er. »Gegend hier ist sicher. Kinder sind sicher. Keine Angst.«
    »Sehen Sie?« platzte Lucrecia heraus. »Da hören Sie’s.«
    Salome tastete nach Cendrines Hand. »Wir müssen das Tal nicht verlassen. Wir können vom Hügel aus das Dorf und die Felder sehen. Es ist so interessant, wirklich!«
    Cendrine fürchtete, daß Madeleine sie mit dem nächsten Schiff zurück nach Europa schicken würde, falls sie je erfuhr, daß Cendrine mit den Mädchen das Anwesen verlassen hatte. Aber sie hatte auch das Gefühl, den Zwillingen diesen Gefallen schuldig zu sein. Sie allein hatten ihr von Anfang an uneingeschränkte Sympathie entgegengebracht, und wenn ihnen dieser Ausflug wirklich so viel bedeutete, dann wollte sie ihnen den Wunsch nicht ausschlagen.
    »Einverstanden«, sagte sie schließlich, und sofort zogen die Mädchen sie durch das Tor.
    Jenseits der Mauer erstreckten sich schier endlos die Reihen der Weinstöcke. Aufgrund der Trockenheit waren sie braun und mürbe geworden. Sie sahen aus, als würden sie sich nie mehr von diesem Sommer erholen.
    Geschwind liefen die drei zwischen zwei Rebenreihen bergauf nach Süden. Hier und da entdeckte Cendrine tatsächlich einige San, die in Zweiergruppen das Gelände durchstreiften. Trotzdem fühlte sie sich nicht wirklich sicher.
    Sie erklommen den Hang, bis sie den Bergkamm erreichten. Dahinter wellte sich das Panorama der Auasberge wie ein zu Sand und Fels erstarrter Ozean. Savannengras raschelte im Wind.
    Gleich am Fuß des Abhangs lag das Dorf der Eingeborenen, die im Dienst der Kaskadens standen. Ein breiter Trampelpfad schlängelte sich herauf und überwand hundert Meter weiter westlich die Bergkuppe. Die Ansiedlung selbst war viel größer, als Cendrine erwartet hatte, und bot Platz für mindestens zweihundert Arbeiter und Arbeiterinnen. Die meisten Hütten waren aus Lehm, rund und mit spitzen, strohgedeckten Dächern. Aber es gab auch ein paar gemauerte Unterkünfte, außerdem zahlreiche Zelte. Manche der Eingeborenen hausten unter Fell- und Stoffplanen, die man über vier Pfähle gespannt hatte. Gekocht wurde

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