Göttin des Frühlings
zwei Atemzüge später klopfte es forsch an der Tür.
»Herein!«, sagte Lina.
Die Tür schwang auf, und Iapis verbeugte sich vor ihr. »Göttin, bitte folge mir hier entlang.« Er wies den Gang hinunter in die Richtung, aus der sie zuvor gekommen waren.
»Danke, Iapis. Ich bin sehr hungrig.«
»Ich bin mir sicher, dass du mit den Leckereien zufrieden sein wirst, die Hades zu deinen Ehren aufgetischt hat.«
Lina hob die Augenbrauen. »Hades kann kochen?«
Iapis lachte. »Das wirst du sehen, meine Göttin.«
Lina biss sich auf die Lippe und folgte ihm aus dem Gemach. Was dachte sie sich nur? In der Hölle wurde bestimmt nicht gekocht. Als ob Geister essen müssten! Ihr fiel wieder ein, dass Eirene Wein aus einer unsichtbaren Falte in der Luft gezogen hatte. Die Göttin der Idioten, das war sie. Sie musste einfach den Mund geschlossen und die Augen offen halten, bis sie den Bogen raus hatte in ihrem neuen Job.
Iapis unterbrach ihre Selbstvorwürfe. »Göttin, sollen wir Eurydike mitnehmen? Ich möchte nicht, dass sie denkt, ich würde ihre Stellung einnehmen wollen.«
»Ja, das ist sehr aufmerksam von dir, Iapis.« Lina hob die Stimme. »Eurydike! Ich brauche dich.«
Fast umgehend öffnete sich eine Tür weiter unten, Eurydike platzte heraus und eilte mit flatterndem dünnen Gewand und fliegenden Haaren an die Seite ihrer Göttin.
»O Persephone! Ich freue mich so, dass du mich gerufen hast«, stieß sie aus und umarmte Lina.
»Deine Göttin dachte, du würdest uns vielleicht begleiten wollen, damit du den Weg auch wieder zurückfindest, falls sie mal zu später Stunde um eine Erfrischung bitten sollte.«
Wieder war Lina beeindruckt von Iapis’ Einfühlungsvermögen gegenüber dem Mädchen.
»Danke, Iapis, dass du daran gedacht hast«, sagte Lina.
»Natürlich.« Eurydike nickte mehrmals. Sie erinnerte Lina an einen begeisterten Welpen, der alles daran setzte, brav zu sein. »Ich muss vieles wissen, damit ich mich ordentlich um Persephone kümmern kann.«
Lina riss sich zusammen, um nicht laut zu seufzen.
»Persephone, Eurydike, wenn ihr mir folgen möchtet, werde ich euch mit Freuden zu meinem Herrn geleiten.«
Iapis führte sie durch ein Labyrinth von Gängen und erklärte dabei Eurydike, dass der Palast zwar riesengroß sei, es aber eigentlich nicht schwierig sei, sich darin zurechtzufinden. Hades hatte ihn in Abschnitte unterteilt. Im vorderen Teil ist der Thronsaal untergebracht, wo Hades Hof hielt und sich die Gesuche der Toten anhörte. Es gab noch einen kleineren, zentral gelegenen Bereich, auf den sie nun zusteuerten. Er war mit dem Gästeflügel verbunden – wo Persephone und Eurydike wohnten – und verfügt über zwei Ballsäle. Lina fragte sich kurz, warum Hades sich die Mühe gemacht hatte, einen ganzen Flügel für Gäste und zwei Säle zum Tanzen zu bauen, wenn er es doch offenbar nicht gewohnt war, Besuch zu empfangen. Doch sie behielt ihre Gedanken für sich und unterbrach Iapis nicht.
»Ein kompletter Flügel des Palastes enthält die Privatgemächer von Hades. Wie du siehst, Eurydike, musst du nur lernen, wo die einzelnen Flügel liegen, dann weißt du auch, wo du dich befindest.«
»Ja, das verstehe ich. Vielleicht könnte ich Material zum Zeichnen bekommen, dann könnte ich einen schlichten Lageplan skizzieren«, sagte Eurydike und schaute Lina erwartungsvoll an.
»Sehr gerne. Das halte ich für eine hervorragende Idee. Vielleicht könnte das auch mir dabei helfen, mich zurechtzufinden. Ich habe keinen guten Orientierungssinn«, sagte Lina. »Iapis, meinst du, du könntest Zeichenmaterial für Eurydike auftreiben?«
»Aber sicher, Göttin. Es wird mir ein persönliches Vergnügen sein, dafür zu sorgen, dass deine Freundin alles hat, was sie benötigt«, erwiderte Iapis.
»Danke«, sagten Lina und Eurydike wie aus einem Mund und mussten grinsen, als ihre Stimmen harmonisch verschmolzen.
Iapis bog um die nächste Ecke und blieb vor einer gewaltigen Flügeltür stehen, die sich natürlich ohne jegliche Berührung zu einem riesigen Raum öffnete. Dort zog eine enorme Tafel aus schwarzem Marmor alle Blicke auf sich. Darüber hingen drei massive Kristalllüster. Lina kniff die Augen zusammen, so sehr funkelten sie in ihrer Schönheit, dann wurde ihr plötzlich klar, dass die glitzernden Steine wahrscheinlich gar nicht aus Kristall waren.
»Diamanten«, sagte Eurydike mit unterdrückter Stimme.
»Genau«, bestätigte Iapis. »Mein Herr hat beschlossen, die Diamantlüster in
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