Goettin in Gummistiefeln
Rache sinnt.
Was im Grunde stimmt.
Wenn ich das lese, muss ich sofort an die Alte denken, die immer an unserer Straßenecke stand und vor sich hinmurmelte: »Sie kommen, um mich zu holen.«
Jetzt kann ich die Frau total verstehen. Wahrscheinlich wollten sie wirklich kommen, um sie zu holen.
Guy würde bloß lachen. Ich kann ihn vor mir sehen. Arnold Saville ein Gauner? Vielleicht habe ich sie ja wirklich nicht mehr alle. Es ist reine Spekulation. Ich habe keinerlei Beweise; nichts Greifbares. Ich lasse mich nach vorn sinken und vergrabe hoffnungslos das Gesicht in den Händen. Wer würde mir glauben? Wer würde mir überhaupt zuhören?
Wenn ich doch nur einen Beweis hätte. Aber wie soll ich den kriegen?
Ich zucke zusammen, als in diesem Moment mein Handy piept. Trübe blicke ich auf. Ich hatte fast vergessen, wo ich bin. Ich nehme es und schaue aufs Display. Es ist eine Textnachricht.
bin unten, muss dir was zeigen, eine Überraschung, nat.
Mit den Gedanken ganz woanders, gehe ich nach unten. Ich kriege die Wut, wenn ich an Arnold denke, an sein gutmütiges Grinsen, wie er meine Unordnung immer entschuldigt hat, wie er mir versicherte, er würde sich für mich einsetzen, wie heuchlerisch er mich angehört hat, als ich voller Selbstvorwürfe zu ihm kam, mich mit Entschuldigungen überschlug, mich praktisch vor ihm in den Staub warf...
Das Schlimmste ist, dass ich nie auch nur versucht habe, mich zu verteidigen. Dass ich die Tatsache, dass ich mich nicht entsinnen konnte, das Memo vor diesem Zeitpunkt auch nur gesehen zu haben, nie wichtig nahm. Ich war sofort bereit, das Schlimmste von mir anzunehmen; mir die Schuld für alles zu geben, bloß weil mein Schreibtisch ein solcher Staustall war.
Arnold kennt mich sehr gut. Vielleicht hat er genau darauf gebaut.
Schweinekerl. Verdammter Schweinekerl.
»Hallo.« Nathaniel wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht. »Erde an Samantha.«
»Oh ... tut mir Leid. Hallo!« Ich ringe mir irgendwie ein Lächeln ab. »Also, was hast du für eine Überraschung?«
»Hier lang.« Er grinst und führt mich raus zu seinem Auto, einem alten VW-Käfer Cabriolet. Wie üblich ist der Rücksitz voller Blumentöpfe und Aussaatkisten und aus dem Kofferraum ragt ein alter Spaten.
»Madam.« Er hält mir galant die Beifahrertür auf.
»Was willst du mir zeigen?«, frage ich beim Einsteigen.
»Großes Geheimnis. Großes Geheimnis.« Er schenkt mir ein unergründliches Lächeln und lässt den Motor an.
Wir verlassen Lower Ebury und fahren in eine Richtung, in der ich noch nie war, durch ein benachbartes Dörfchen und ins Hügelland hinauf. Nathaniel ist guter Laune, hat über jede Farm, jedes Pub, an dem wir vorbeikommen, eine kleine Geschichte zu erzählen. Aber ich höre kaum, was er sagt. Meine Gedanken kreiseln. Ich weiß nicht, was ich tun kann. Ich darf ja nicht mal das Gebäude betreten. Ich habe keine Zugangsberechtigung mehr. Ich bin vollkommen machtlos. Dabei habe ich nur noch drei Tage Zeit. Wenn Arnold erst mal auf die Bahamas abgehauen ist, ist die Sache gelaufen.
»So, da wären wir!« Nathaniel biegt von der Straße in einen Kiesweg ab und parkt vor einem niedrigen Mäuerchen. »Was hältst du davon?«
Mühsam reiße ich meine Gedanken in die Gegenwart zurück. »Ah ...« Ich schaue mich ratlos um. »Hübsch, ja.«
Was soll ich mir eigentlich ansehen?
»Samantha, alles in Ordnung?« Nathaniel mustert mich besorgt. »Du bist so verkrampft.«
»Mir geht‘s gut.« Ich versuche zu lächeln. »Bloß ein bisschen müde.«
Ich mache die Beifahrertür auf und steige rasch aus, um mich seinem Blick zu entziehen. Ich schlage die Tür hinter mir zu, mache ein paar Schritte und schaue mich um.
Wir befinden uns in einem sonnenbeschienenen Hof. Rechts von uns steht ein baufälliges Farmhaus, davor ein »Zu verkaufen«-Schild. Vor mir erstreckt sich eine Reihe von Gewächshäusern, deren Glasscheiben in der tief stehenden Sonne glänzen. Da sind Beete, Gemüse, ein Baucontainer, auf dem GÄRTNEREI steht...
Moment mal.
Verwirrt drehe ich mich um und sehe, dass Nathaniel ebenfalls ausgestiegen ist. Grinsend schaut er mich an, in der Hand ein paar Papiere.
»Idyllisch gelegene Gärtnerei zu verkaufen«, liest er vor. »1,6 Hektar Land. Weitere 4 Hektar können dazu erworben werden. Gut neunhundert Quadratmeter Gewächshausflächen. Großes Wohnhaus, renovierungsbedürftig ...«
»Du willst das hier kaufen?« Jetzt bin ich schlagartig mit den Gedanken wieder bei ihm.
»Ich
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