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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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kleiner Ruck geht durch die Menge. Aber offensichtlich nicht zu meinen Gunsten. Ich höre Gemurmel: »Menschenskind!« und »Wer hat die reingelassen?« Wenn ich mir auch nur ein bisschen Glaubwürdigkeit und Würde bewahren will, muss ich jetzt sofort den Mund halten. Aber ich kann nicht.
    »Ich habe gar keinen Fehler gemacht, stimmt‘s?« Ich gehe auf ihn zu. »Sie haben mich benutzt. Sie haben meine Karriere zerstört, haben zugesehen, wie mein ganzes Leben zusammenbricht ...«
    »Also wirklich«, faucht Arnold und wendet sich ab. »Das ist allmählich kein Witz mehr.«
    »Beantworten Sie meine Frage!«, brülle ich seinen Rücken an. »Wann haben Sie mir dieses Memo auf den Schreibtisch gelegt, Arnold? Denn ich glaube nicht, dass das vor Ablauf der Frist geschehen ist.«
    »Aber natürlich ist es das.« Arnold dreht sich kurz zu mir um, gelangweilt, ja verächtlich. »Ich bin am 28. Mai in Ihr Büro gekommen.«
    Am 28. Mai?
    Wo kam das jetzt her? Warum kommt mir dieses Datum komisch vor?
    »Das glaube ich Ihnen nicht«, stoße ich in hilfloser Wut hervor. »Sie lügen. Sie haben mich reingelegt. Ich glaube -«
    »Samantha?« Jemand tippt mir auf die Schulter, und ich fahre herum. Ernest, der Wachmann, steht vor mir, mit einem peinlich berührten Ausdruck auf seinem vertrauten, zerfurchten Gesicht. »Ich muss Sie leider bitten, das Gebäude jetzt zu verlassen.«
    Ich fühle mich zutiefst erniedrigt. Sie werfen mich also ernsthaft raus? Nachdem ich hier sieben Jahre lang praktisch gelebt habe? Ich merke, wie ich nun wirklich die Fassung zu verlieren drohe. Heiße Zornestränen steigen mir in die Augen.
    »Bitte gehen Sie, Samantha«, sagt Oliver Swan mitleidig. »Bringen Sie sich nicht noch mehr in Verlegenheit.«
    Ich starre ihn ein paar Sekunden lang an, dann gleitet mein Blick über die übrigen Seniorpartner.
    »Ich war eine gute Anwältin«, stoße ich erstickt hervor. »Ich habe gute Arbeit geleistet. Das wissen Sie alle. Aber Sie haben mich ausradiert, als hätte ich nie existiert.« Ich schlucke den Klumpen in meiner Kehle herunter. »Nun, Ihr Pech.«
    Im Saal herrscht vollkommene Stille, während ich mein Tablett auf einem Tischchen abstelle und mit ausgreifenden Schritten den Raum verlasse. Sobald ich draußen bin, geht drinnen das Stimmengewirr los.
    In vollkommenem Schweigen fahre ich mit Ernest im Lift hinunter. Ich kann nichts sagen, denn sonst würde ich wahrscheinlich in Tränen ausbrechen. Ich kann nicht fassen, dass ich es derart vermasselt habe. Nicht nur, dass ich nichts, null, niente rausgefunden habe, ich bin auch noch erkannt worden. Habe vor der ganzen Belegschaft die Fassung verloren. Jetzt bin ich eine noch größere Witzfigur als zuvor.
    Als ich das Gebäude verlasse, werfe ich einen Blick auf mein Handy. Ich habe eine SMS von Nat, in der er mich fragt, wie es lief. Ich lese sie mehrmals, kann mich aber zu keiner Antwort aufraffen. Oder zu den Geigers zurückfahren. Ich könnte sicher noch einen Zug erwischen, aber der Gedanke, ihnen heute Abend unter die Augen treten zu müssen, übersteigt meine Kraft.
    Wie ein Automat gehe ich zur U-Bahn und steige in einen Zug. Ich kann mein Gesicht in der gegenüberliegenden Scheibe sehen, blass und ausdruckslos. Und die ganze Zeit brummt es in meinem Schädel: 28. Mai. 28. Mai.
    Doch die Antwort fällt mir erst ein, als ich schon vor meinem Apartmentblock stehe. 28. Mai. Die Chelsea Flower Show. Ja, natürlich. Am 28. Mai waren wir alle auf der Chelsea Flower Show, Arnold, Ketterman, Guy und ich, eine Werbesache. Arnold war direkt aus Paris eingetroffen und hat sich danach nach Hause fahren lassen. Er war an dem Tag überhaupt nicht im Büro gewesen.
    Er hat gelogen. Natürlich hat er gelogen. Ich spüre, wie eine erschöpfte Wut in mir hochsteigt. Aber jetzt kann ich auch nichts mehr tun. Niemand wird mir glauben. Ich werde mit dem Gedanken leben müssen, dass mich alle für diesen Fehler verantwortlich machen.
    Ich steige in meinem Stockwerk aus dem Lift, krame bereits nach dem Schlüssel und hoffe inständig, dass Mrs. Farley nicht mehr auf ist und mich hört. Alles, was ich mir jetzt wünsche, ist ein langes heißes Bad. Doch kurz bevor ich meine Tür erreiche, bleibe ich abrupt stehen. Sekundenlang stehe ich reglos da und überlege.
    Dann drehe ich mich langsam wieder um und gehe zum Lift zurück. Es gibt doch noch etwas, das ich tun kann. Und ich habe nichts mehr zu verlieren.
    Ich fahre zwei Stockwerke höher und steige aus dem Lift.
    Dieser

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