Goettin in Gummistiefeln
sich hier wie zu Hause fühlen.« »Oh!« Ich schlucke nervös. »Das ist nett. Danke.« Mrs. Geiger, ich muss Ihnen was sagen. Ich bin keine Haushälterin.
Irgendwie bringe ich es einfach nicht über die Lippen. Trishs Augen haben sich verengt, als würde sie ihre freundliche Geste bereits bereuen.
»Glauben Sie ja nicht, dass das jeden Tag so geht! Aber da Sie sich gestern nicht gut gefühlt haben ...« Sie tippt auf ihre Uhr. »Und jetzt ziehen Sie sich besser an. Wir erwarten Sie in zehn Minuten unten. Ein leichtes Frühstück. Wir essen morgens grundsätzlich nur Toast und Kaffee und dergleichen. Dann können wir die restlichen Mahlzeiten des Tages durchsprechen.«
»Äh ... in Ordnung«, stoße ich schwach hervor.
Sie macht die Tür zu, und ich stelle die Tasse ab. Scheiße. Was mache ich jetzt? Was? Was?
Okay. Immer mit der Ruhe. Immer eins nach dem anderen. Erst mal im Büro anrufen. Rausfinden, wie die Dinge stehen. Voller Angst hole ich mein Handy aus der Handtasche.
Das Display ist schwarz. Der Akku muss leer sein.
Frustriert starre ich es an. Ich muss gestern so neben der Spur gewesen sein, dass ich nicht einmal daran gedacht habe, es über Nacht aufzuladen. Ich hole das Ladegerät aus der Tasche und schließe das Handy an die Steckdose. Es fängt sofort an, sich wieder aufzuladen.
Ich warte auf das Piepen, das anzeigt, dass der Ladevorgang beendet ist, doch es kommt nicht. Kein verdammtes Piepen.
Panik durchzuckt mich. Wie soll ich jetzt im Büro anrufen? Wie soll ich überhaupt was machen? Ich kann nicht leben -ohne mein Handy.
Plötzlich fällt mir ein, gestern draußen bei der Treppe ein Telefon gesehen zu haben. Auf einem Tischchen in einem Erkerfenster. Das könnte ich vielleicht nehmen. Ich öffne meine Zimmertür und spähe links und rechts den Flur entlang. Niemand zu sehen. Vorsichtig schleiche ich zum Erkerfenster und hebe den Hörer ab. Das Freizeichen. Schön. Ich hole tief Luft, wähle die Nummer des Büros - und die Direktwahl zu Arnold. Es ist zwar noch nicht neun, aber er wird trotzdem schon da sein.
»Hier Arnold Savilles Büro«, meldet sich die fröhliche Stimme von Lara, seiner Sekretärin.
»Lara«, sage ich nervös, »hier ist Samantha. Samantha Sweeting.«
»Samantha?«. Lara klingt, als wäre sie gerade vom Stuhl gefallen, und ich zucke unwillkürlich zusammen. »Großer Gott! Was ist bloß passiert? Wo sind Sie? Alle sind -« Sie versucht sich zu fassen.
»Ich ... ich bin im Moment nicht in London. Dürfte ich Arnold sprechen?«
»Aber sicher. Warten Sie, ich stelle Sie gleich durch.« Statt ihrer Stimme tönt nun Vivaldi lieblich an mein Ohr, dann meldet sich schon Arnold.
»Samantha.« Seine joviale, brummige Bärenstimme dröhnt durch die Leitung. »Mein liebes Mädchen! Wie ich höre, sitzen Sie ein wenig in der Patsche!«
Nur Arnold kann den Verlust von fünfzig Millionen Pfund als »kleine Patsche« bezeichnen. Ich muss, trotz allem, unwillkürlich lächeln. Ich kann ihn vor mir sehen, im Anzug, darunter die typische Weste, die buschigen Augenbrauen besorgt gerunzelt.
»Ich weiß. Nicht gerade toll«, versuche ich mich seinem Understatement anzupassen.
»Ich kann nicht umhin, Sie darauf hinzuweisen, dass Ihre überstürzte Flucht gestern die Lösung der Situation nicht gerade vorangetrieben hat.«
»Ich weiß. Es tut mir Leid. Ich habe einfach die Panik gekriegt.«
»Kann ich verstehen. Trotzdem, Sie haben ein ziemliches Durcheinander hinterlassen.«
Ich glaube, unter Arnolds gewohnter Freundlichkeit ein wenig Anspannung herauszuhören. Arnold ist nie angespannt. Es muss ziemlich schlimm stehen. Ich würde mich am liebsten auf die Knie werfen und um Gnade flehen, aber das würde niemandem etwas nützen, nicht mal mir. Wo ich mich ohnehin schon unprofessionell genug verhalten habe.
»Also - wie ist der letzte Stand der Dinge?« Ich bin um einen möglichst gefassten, kühlen Ton bemüht. »Schon was von der Konkursverwaltung gehört? Können die noch was machen?«
»Unwahrscheinlich. Denen sind die Hände gebunden, sagen sie.«
»Stimmt.« Mir ist, als hätte ich einen Magenschwinger bekommen. Das wär‘s dann also. Fünfzig Millionen den Bach runter. »Und die Versicherung?«
»Das ist natürlich der nächste Schritt. Wir kriegen das Geld natürlich irgendwann wieder, da bin ich sicher. Aber nicht ohne Komplikationen, das können Sie sich ja vorstellen.«
»Ja, ich weiß«, flüstere ich.
Einen Moment lang sagt keiner von uns etwas. Es gibt keine
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