Goettin in Gummistiefeln
guten Nachrichten, wird mir plötzlich klar. Keinen Silberstreif am Horizont. Ich hab Scheiße gebaut, Ende der Durchsage.
»Arnold, ich weiß wirklich nicht, wie ich einen ... einen so dummen, dummen Fehler machen konnte.« Meine Stimme zittert. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich kann mich nicht mal erinnern, das Memo auf meinem Schreibtisch gesehen -«
»Wo sind Sie jetzt?«, unterbricht mich Arnold.
»Ich bin ...«, hilflos schaue ich aus dem Fenster, »um ehrlich zu sein, ich weiß nicht mal genau, wo ich im Moment bin. Aber ich kann ins Büro kommen. Jetzt gleich.« Es sprudelt nur so aus mir heraus. »Ich nehme den nächsten Zug. In ein, zwei Stunden bin ich da.«
»Ich halte das für keine gute Idee.« Arnolds Stimme klingt irgendwie kalt, was mich zutiefst erschreckt.
»Hat man ... hat man mich denn entlassen?«
»Darüber wurde noch nicht gesprochen«, sagt er gepresst. »Es gab Dringenderes, wissen Sie.«
»Ja, natürlich.« Ich merke, wie mir das Blut in den Kopf zurückschießt. »Tut mir Leid. Es ist nur ...« Meine Kehle schnürt sich zusammen. Ich merke, wie mir die Tränen kommen, und ringe um Beherrschung. »Es ist bloß ... ich habe immer nur bei Carter Spink gearbeitet. Alles, was ich je wollte, war ...«
Ich kann‘s nicht mal sagen.
»Samantha, ich weiß, dass Sie eine äußerst begabte Anwältin sind.« Arnold seufzt. »Niemand zweifelt daran.«
»Aber ich habe einen Fehler gemacht.«
Ich höre es leise in der Leitung knacken. Mein Puls hämmert mir in den Ohren.
»Samantha, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht«, sagt er schließlich. »Ich kann Ihnen an dieser Stelle ebenso gut sagen, dass für heute Vormittag eine Konferenz anberaumt wurde, um über Ihre Zukunft zu entscheiden.«
»Und Sie glauben nicht, dass ich kommen sollte?« Ich beiße mir auf die Lippe.
»Im Moment könnte das mehr schaden als nutzen. Bleiben Sie, wo Sie sind, und überlassen Sie alles andere mir.« Arnold zögert. Seine Stimme klingt ein wenig schroff. »Ich tue mein Bestes, Samantha, das verspreche ich Ihnen.«
»Gut, ich warte dann«, sage ich hastig. »Und vielen, vielen Dank.« Aber er hat bereits aufgelegt. Wie in Trance lege ich den Hörer auf.
Noch nie habe ich mich so hilflos gefühlt. Auf einmal sehe ich sie vor mir, wie sie alle mit ernsten Mienen am großen Konferenztisch sitzen. Arnold. Ketterman. Vielleicht sogar Guy. Und besprechen, was aus mir wird. Ob ich eine zweite Chance verdiene oder nicht.
Aber ich muss positiv denken. Es gibt noch eine Chance. Wenn Arnold auf meiner Seite steht, werden es auch andere ...
»Eine ausgezeichnete Kraft.«
Ich fahre vor Schreck zusammen, als ich Trishs Stimme höre, die unaufhaltsam näher kommt. »Ja, natürlich werde ich ihre Referenzen überprüfen, aber Gillian, ich bin eine sehr gute Menschenkennerin, mich legt man nicht so schnell rein -«
Trish kommt um die Ecke gesegelt, ein Handy am Ohr und ich springe hastig vom Telefon weg.
»Samantha!«, stößt sie überrascht hervor. »Was machen Sie denn hier? Und immer noch nicht angezogen? Jetzt aber los!« Sie rauscht an mir vorbei, und ich hetze in mein Zimmer zurück. Ich schließe die Tür und werfe einen Blick in den Spiegel.
Auf einmal fühle ich mich ein bisschen unwohl.
Eigentlich fühle ich mich sogar sehr unwohl. Wie werden die Geigers reagieren, wenn ich ihnen sage, dass ich ihnen nur was vorgemacht habe? Dass ich überhaupt keine Cordon-Bleu-diplomierte Haushälterin bin, sondern nur einen Platz zum Schlafen brauchte?
Ein Bild taucht ungewollt vor meinem geistigen Auge auf: Wie sie mich aus dem Haus weisen, empört darüber, so schändlich von mir hintergangen worden zu sein. Vielleicht rufen sie ja sogar die Polizei. Lassen mich verhaften. O Gott. Das könnte echt schlimm enden.
Aber ich habe keine Wahl, oder? Es ist schließlich nicht so, als könnte ich wirklich ...
Oder doch?
Ich nehme die Dienstkleidung vom Haken und befühle sie. Meine Gedanken überschlagen sich.
Es war sehr nett von ihnen, mich einfach so über Nacht dazubehalten. Und es ist ja nicht so, dass ich im Moment irgendwas zu tun hätte. Oder wüsste, wo ich hingehen soll. Vielleicht würde mich ein wenig leichte Hausarbeit ja von allem ablenken ...
Ich fasse spontan einen Entschluss.
Ich werde es einen Vormittag lang versuchen. So schwer kann‘s ja nicht sein. Ich werde ihnen Toast machen und irgendwas abstauben. Als Dankeschön für ihre Freundlichkeit, sozusagen. Ja, so passt das.
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