Goettin in Gummistiefeln
helfen«, meldet sich Guy schließlich, »aber ich muss das erst mit Charlotte absprechen.«
»Klar, verstehe ich«, sage ich, ein wenig gekränkt.
»Bleib kurz dran. Ich rufe sie schnell an.«
Und schon bin ich in der Warteschleife gelandet. Und da sitze ich nun und versuche, nicht zu gekränkt zu sein, während ich der blechernen Cembalomusik lausche. Es war ja wohl nicht zu erwarten, dass er gleich ja sagt. Natürlich muss er das erst mal mit seiner Freundin besprechen.
Endlich meldet sich Guy wieder. »Samantha, tut mir Leid, aber ich glaube nicht, dass das geht.«
Das kommt wie ein Keulenschlag. »Ach so.« Ich versuche, ein Lächeln zustande zu bringen, so zu tun, als wäre das alles nicht der Rede wert. »Naja, egal. Ich finde schon was.«
»Charlotte ist gerade ziemlich im Stress ... wir lassen die Gästezimmer neu herrichten ... es ist im Moment einfach total ungünstig ...«
Er klingt, als müsste er sich zwingen, das Gespräch überhaupt weiterzuführen. Und auf einmal wird mir alles klar. Es geht gar nicht um Charlotte. Das mit ihr ist nur eine Ausrede. Er will nichts mehr mit mir zu tun haben. Als wäre mein Rausschmiss ansteckend. Als könne das auch seiner heiligen Karriere schaden.
Gestern war ich noch sein bester Kumpel. Gestern, als ich kurz davor stand, Seniorpartnerin zu werden, da wieselte er die ganze Zeit um meinen Schreibtisch herum, grinsend und zwinkernd. Und heute will er nichts mehr von mir wissen.
Ich weiß, ich sollte meinen Mund halten, sollte mir noch einen Rest Würde bewahren, aber irgendwie kann ich nicht. Es bricht aus mir heraus. »Du willst nichts mehr mit mir zu tun haben, stimmt‘s?«
»Samantha!«, wiegelt er ab. »Mach dich nicht lächerlich.«
»Ich bin immer noch derselbe Mensch, Guy. Ich dachte, du wärst ein Freund.«
»Ich bin ein Freund! Aber du kannst doch nicht von mir erwarten ... ich muss auch an Charlotte denken ... so viel Platz haben wir auch wieder nicht... Pass auf, ruf mich doch in ein paar Tagen noch mal an, dann treffen wir uns auf einen Drink ...«
»Wie gesagt, es geht schon.« Ich bemühe mich um Fassung. »Tut mir Leid, dich gestört zu haben.«
»Warte!«, ruft er aus. »Leg nicht auf! Was hast du jetzt vor?«
»Ach, Guy.« Ich stoße ein unfrohes Lachen aus. »Als ob dich das auch nur einen Dreck interessieren würde.«
Ich lege auf. Ich bin so fassungslos, dass mir ganz schwindlig ist. Alles hat sich geändert. Oder vielleicht hat er sich ja gar nicht geändert. Vielleicht war Guy ja schon immer so, und ich habe es nur nicht gemerkt.
Schwer atmend starre ich auf das kleine Display meines Handys, sehe wie die Sekunden, eine nach der anderen, verticken. Frage mich, was ich jetzt tun soll. Auf einmal beginnt das Handy zu vibrieren, und ich lasse es vor Schreck fast fallen. Tennyson verrät mir das Display.
Mutter.
Mein Magen zieht sich vor Schreck zusammen. Sie hat‘s also auch schon gehört. Hätte ich mir denken können, dass so was kommt. Ich könnte ja auch bei ihr wohnen, fällt mir ein. Komisch, dass ich überhaupt noch nicht auf diesen Gedanken gekommen bin. Ich klappe das Handy auf und hole tief Luft.
»Hi, Mum.«
»Samantha.« Kein Gruß, kein Nichts, gleich zur Sache. Typisch Mum. »Wie lange wolltest du eigentlich noch warten, bevor du mir von deinem Debakel berichtest? Ich musste aus einem Internetwitz von der Schande meiner eigenen Tochter erfahren. Ein Internetwitz.« Sie spuckt das Wort aus, als wäre es etwas Abstoßendes.
»Ein Internetwitz?«, wiederhole ich blöde. »Was soll das denn?«
»Du weißt es nicht? Nun, offenbar ist in Juristenkreisen das neue Wort für fünfzig Millionen Pfund >ein Samantha<. Ich fand das gar nicht witzig.« »Mum, es tut mir so Leid -«
»Nun, zumindest zerreißt man sich nur in Juristenkreisen darüber das Maul. Ich habe schon mit Carter Spink telefoniert und man hat mir versichert, dass das Ganze nicht nach außen dringen wird. Dafür solltest du dankbar sein.«
»Ja, äh ... kann sein.«
»Wo bist du?«, schneidet sie mein Gestammel ab. »Wo hältst du dich derzeit auf?«
In einer Speisekammer, umgeben von Schachteln voll Frühstücksflocken.
»Ich bin ... im Haus von Bekannten. Außerhalb von London.«
»Und wie sehen deine Pläne aus?«
»Ich weiß nicht.« Ich reibe mir übers Gesicht. »Ich muss ... irgendwie auf die Beine kommen. Mir einen Job suchen.«
»Einen Job«, wiederholt sie ätzend. »Und du glaubst, die wirklich guten Kanzleien würden dich jetzt auch nur
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