Goettin in Gummistiefeln
mit der Kneifzange anfassen?«
Ihr Ton ist wie ein Peitschenhieb, lässt mich zusammenzucken. »Ich ... ich weiß nicht. Mum, ich habe gerade erst erfahren, dass man mich gefeuert hat. Ich kann nicht einfach -«
»Doch, du kannst. Zum Glück für dich, habe ich bereits Schritte unternommen.«
Sie hat Schritte unternommen?
»Was hast du -«
»Ich habe all meine Beziehungen spielen lassen. War keine einfache Sache. Aber die Seniorpartner von Fortescues wollen dich morgen um zehn empfangen.«
Ich starre mein Handy fassungslos an.
»Du hast mir ein Vorstellungsgespräch organisiert?«
»Wenn alles gut geht, wirst du als Seniorpartnerin einsteigen.« Ihre Stimme klingt forsch, energiegeladen. »Diese Chance hättest du allein mir zu verdanken - man tut mir einen persönlichen Gefallen. Du kannst dir also vorstellen, dass es ...
Vorbehalte gibt. Wenn du also vorankommen willst, Samantha, wirst du dich gehörig anstrengen müssen. Du wirst alles geben müssen, jede Stunde deines Tages.«
»Sicher.« Ich schließe die Augen. Meine Gedanken schwirren. Ich habe ein Vorstellungsgespräch. Ein neuer Anfang. Licht am Ende des Tunnels.
Warum bin ich dann nicht erleichtert? Warum bin ich nicht happy?
»Du wirst mehr Einsatz zeigen müssen als bei Carter Spink«, fährt Mum fort. »Keine Schlamperei. Keine Trägheit. Du musst dich jetzt doppelt bewähren. Hast du das verstanden?« »Ja«, sage ich automatisch.
Noch länger arbeiten. Noch mehr arbeiten. Noch mehr Überstunden, ganze Nächte im Büro.
Es kommt mir vor, als würde sich diese gewaltige Last wieder auf meine Schultern senken. Noch mehr als vorher. Noch schwerer. Immer schwerer.
»Ich meine, nein«, höre ich mich sagen. »Nein. Ich will das nicht. Das übersteigt meine Kräfte ... es ist zu viel ...«
Die Worte sprudeln wie von selbst aus mir hervor. Ich wollte das gar nicht sagen. Ich wusste nicht mal, dass ich das dachte. Aber jetzt, wo es ausgesprochen ist, geht es mir ... besser.
»Wie bitte?« Mutters Stimme könnte Metall schneiden. »Samantha, was um alles in der Welt redest du da?«
»Ich weiß nicht.« Ich knete meine Stirn, versuche Klarheit ins Chaos meiner Gedanken und Gefühle zu bringen. »Ich dachte nur ... ich mache mal ein wenig Pause.«
»Wenn du das tust, ist deine juristische Karriere beendet.« Sie klingt verächtlich. »Beendet.« »Ich könnte was anderes machen.«
»Das würdest du keine zwei Minuten durchhalten!«, ruft sie empört. »Samantha, du bist Rechtsanwältin. Du hast Jura studiert.«
»Es gibt auch noch andere Dinge auf der Welt!«, rufe ich gereizt aus.
Eine ominöse Stille.
»Samantha, falls du eine Art Nervenzusammenbruch -«
»Habe ich nicht!« Echte Verzweiflung keimt in mir auf. »Bloß weil ich mein Leben infrage stelle, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe! Ich habe dich nie gebeten, mir eine Stelle zu beschaffen! Ich weiß nicht, was ich will. Ich brauche ein bisschen Zeit, um ... um zu mir zu kommen. Um nachzudenken.«
»Du wirst zu diesem Vorstellungsgespräch gehen, Samantha.« Mutters Stimme klingt geradezu stählern. »Du wirst dort morgen, Punkt zehn, zur Stelle sein.«
»Nein!«
»Sag mir sofort, wo du bist! Ich werde umgehend einen Wagen schicken.«
»Nein! Lass mich in Ruhe.«
Ich klappe mein Handy zu, verlasse die Speisekammer und werfe das Ding zornig auf den Tisch. Mein Gesicht glüht. Meine Augen brennen. Ich könnte heulen. Heulen. Das Handy fängt zornig an zu vibrieren, doch ich beachte es nicht. Ich werde nicht rangehen. Ich werde mit niemandem reden. Ich werde erst mal einen kippen. Und dann werde ich dieses beschissene Dinner kochen.
Ich gieße etwas Wein in ein Glas und nehme ein paar kräftige Schlucke. Dann wende ich mich dem Berg von Lebensmitteln zu, die auf der Anrichte darauf warten, von mir zubereitet zu werden.
Ich kann kochen. Ich kann was aus diesem Zeugs machen. Und wenn alles Übrige in meinem Leben in Trümmern liegt, das hier kann ich machen. Ich habe schließlich einen Verstand. Das kann doch wohl nicht so schwer sein.
Ohne Umschweife reiße ich die eingeschweißte Lammkeule auf. Die kommt ins Backrohr. In irgendeinem Topf. Easy. Und die Kichererbsen kann ich gleich dazutun. Die kommen dann in den Mixer und das gibt die Füllung. Na bitte.
Ich öffne einen Schrank und hole eine ganze Batterie chromglänzender Töpfe und Pfannen heraus. Dann nehme ich ein Backblech aus dem Ofen und schüttle die Kichererbsen drauf. Ein
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