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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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gemütlicher Duft, so heimelig. Das Heimeligste, was ich je gerochen habe. Das Hähnchen ist goldbraun und knusprig. Auf der Haut sind die frisch gemahlenen Pfefferkörner zu sehen, die ich kurz zuvor darüber gestreut habe. Um das Hähnchen herum brutzelt der Saft.
    »Und jetzt die Soße«, verkündet Iris von der anderen Seite der Küche. »Nimm das Hähnchen aus dem Bräter und lege es auf einen Teller, dann deckst du alles ab, damit es warm bleibt. Und jetzt halte den Bräter ein wenig schief. Siehst du diese großen Fettaugen, die auf dem Saft schwimmen? Die musst du mit einem Löffel abschöpfen.«
    Während sie redet, streut sie Streusel über einen Pflaumenkuchen. Sie gibt noch ein paar Butterflöckchen darüber und schiebt das Ganze dann schwungvoll ins Ofenrohr. Ohne innezuhalten greift sie sich einen Lappen und wischt ihre Arbeitsfläche damit sauber. Ich sehe ihr schon den ganzen Tag lang zu, wie rasch und geschickt, jede überflüssige Bewegung vermeidend, sie sich in der Küche bewegt, wie sie hier probiert, dort kostet, unverkennbar Herrin der Lage. Bei ihr gibt es keine Panik. Alles nimmt seinen geordneten Lauf.
    »Ja, so ist‘s richtig.« Sie steht neben mir und sieht mir zu, wie ich den Bratensaft mit einem Schneebesen bearbeite. »Noch ein bisschen mehr ... in einer Minute wird das schön sämig sein ...«
    Ich kann nicht fassen, dass ich Bratensoße mache. Bratensoße!
    Und überhaupt - alles in dieser Küche scheint zu klappen. Die Lebensmittel und Gewürze machen genau das, was man von ihnen verlangt. Das Gemisch aus Hähnchensatt, Gemüsebrühe und Mehl verwandelt sich wie durch Zauberhand in eine sämige, duftende Soße.
    »Sehr gut!«, lobt mich Iris. »Und jetzt durch ein Sieb in eine Soßenschüssel gießen. Siehst du, wie leicht das geht?«
    »Ich glaube, du bist eine Zauberin«, bricht es aus mir hervor. »Deshalb klappt hier alles. Du bist die reinste Kochhexe.«
    »Eine Kochhexe!« Sie gluckst. »Gefällt mir. Und jetzt komm, runter mit der Schürze. Jetzt wollen wir uns die Früchte unserer Arbeit schmecken lassen.« Sie nimmt ihre Schürze ab und streckt dann die Hand nach meiner Schürze aus. »Nathaniel, ist der Tisch schon gedeckt?«
    Nathaniel hat das ganze Wochenende über regelmäßig bei uns reingeschaut, und ich habe mich inzwischen an seine Anwesenheit gewöhnt. Tatsächlich war ich die meiste Zeit so ins Kochen vertieft, dass ich ihn kaum wahrgenommen habe. Jetzt ist er gerade dabei, Binsendeckchen auf dem Tisch zu verteilen, dazu Teller und altmodisches Besteck mit Horngriffen sowie weiche, karierte Stoffservietten.
    »Wein für die Köche«, verkündet Iris, holt eine Flasche aus dem Kühlschank und entkorkt sie. Sie schenkt mir ein Glas ein und winkt mich dann zu Tisch. »Setz dich, Samantha. Das reicht für dieses Wochenende. Du bis sicher vollkommen erledigt.«
    »Nein, mir geht‘s gut!«, widerspreche ich automatisch. Aber als ich mich auf den nächstbesten Stuhl sinken lasse, merke ich erst, wie erschöpft ich tatsächlich bin. Ich mache die Augen zu, und zum ersten Mal an diesem Wochenende kann ich mich entspannen. Meine Arme und mein Rücken schmerzen von all dem Rühren und Hacken und Mixen. Meine Sinne sind beinahe übersättigt von all den neuen Gerüchen, Eindrücken und Geschmacksempfindungen.
    »Schlaf mir bloß nicht ein!« Iris‘ Stimme holt mich in die Wirklichkeit zurück. »Das ist unsere Belohnung! Nathaniel, Schatz, bringe Samanthas Hähnchen her. Du kannst es tranchieren.«
    Ich öffne die Augen und sehe Nathaniel, wie er sich mit dem auf einer Platte angerichteten Hähnchen nähert. Stolz wallt in mir auf, als ich es sehe, so golden und knusprig und saftig. Mein erstes Brathähnchen. Am liebsten hätte ich ein Foto davon gemacht.
    »Du willst doch nicht etwa behaupten, dass du das gemacht hast?«, fragt Nathaniel ungläubig.
    Haha. Er weiß ganz genau, dass ich es gemacht habe. Aber ich muss trotzdem grinsen.
    »Bloß eine Kleinigkeit, die ich mal eben rasch gezaubert habe ...« Ich zucke lässig mit den Schultern. »Was wir Cordon-Bleu-Köche eben so machen ...«
    Nathaniel tranchiert das Hähnchen mit geübten Bewegungen, und Iris serviert derweil das Gemüse. Als alle ihre Portion auf dem Teller haben, erhebt sie das Glas.
    »Auf dich, Samantha. Du hast dich mehr als wacker geschlagen.«
    »Danke.« Ich lächle und will gerade einen Schluck von meinem Wein nehmen, als ich merke, dass sich die anderen beiden nicht gerührt haben.
    »Und auf

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