Goettin in Gummistiefeln
so«, sagt Iris ungeduldig. »Du wirst doch wohl kurz dein Hemd ausziehen können. Wem macht das schon was aus? Dir macht‘s doch nichts aus, Samantha, oder?«
»Ah ...« Meine Stimme ist ein wenig heiser. »Ah ... nö, natürlich nicht...«
»Also, hier ist der Schalter für den Dampf.« Sie drückt auf einen Knopf und das Eisen spuckt einen zischenden Dampfstrahl aus. »Immer erst vorher nachschauen, ob genug Wasser in der Kammer ist! Nathaniel, ich warte!«
Durch die Dampfwolke kann ich sehen, wie sich Nathaniel zögernd das Hemd aufknöpft. Ich erhasche einen Blick auf glatte, braungebrannte Haut und schaue dann hastig zu Boden.
Jetzt sei nicht so kindisch, schimpfe ich mich. Dann zieht er eben sein Hemd aus. Ist doch keine große Sache.
Er wirft das Hemd seiner Mutter zu, die es geschickt auffängt. Meine Augen kleben am Boden. Ich werde nicht zu ihm hinsehen.
Nein, ich werde nicht zu ihm hinsehen.
»Also, man fängt mit dem Kragen an ...« Iris breitet das Hemd auf dem Bügelbrett aus und streicht glättend darüber.
»Ganz leicht. Man muss überhaupt nicht fest aufdrücken.« Sie führt meine Hand mit dem Bügeleisen über den Stoff. »Mit leichter Hand ... so.«
Das ist einfach lächerlich. Ich bin eine erwachsene Frau, kein unreifer Teenager. Ich kann doch wohl einen Mann mit nacktem Oberkörper anschauen, ohne gleich in Ohnmacht zu fallen. Ich werde also Folgendes tun: Ich werde einen Blick riskieren. Nur ganz schnell. Dann wäre das erledigt, und ich kann mich ganz aufs Bügeln konzentrieren.
»Und jetzt das Joch.« Iris dreht das Hemd um, und ich bügle vorsichtig weiter. »Sehr gut... und jetzt die Manschetten ...« Ich nehme einen Hemdzipfel, um das Hemd schwungvoll zu drehen, und blicke dabei, zufällig-absichtlich, auf. Ach du dickes Ei.
Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee war. Von wegen, dann kann ich mich aufs Bügeln konzentrieren.
»Samantha?« Iris reißt mir das Bügeleisen aus der Hand. »Du verbrennst ja das Hemd!«
»Oh!« Ich schrecke aus meiner Erstarrung. »Sorry. Ich ... war einen Moment nicht ganz bei mir.«
»Du glühst ja.« Iris legt mir besorgt eine kühle Hand an die Wange. »Dir fehlt doch nichts, Schätzchen?«
»Muss ... muss der Dampf sein«, stammle ich. Mit hochroter Birne mache ich mich wieder ans Bügeln.
Iris instruiert mich weiter, doch ich höre kein Wort von dem, was sie sagt. Während ich blindlings vor mich hin bügle, kann ich an nichts anderes denken, als an a) Nathaniel, b) Nathaniel mit nacktem Oberkörper, c) ob Nathaniel wohl eine Freundin hat.
Doch schließlich schüttle ich ein perfekt gebügeltes Hemd aus.
»Sehr gut!«, sagt Iris applaudierend. »Ein bisschen Übung und du schaffst das in unter vier Minuten.«
»Sieht toll aus«, sagt Nathaniel und nimmt mir lächelnd das Hemd aus der Hand. »Danke.«
»Gern geschehen!«, presse ich mit quieksender Stimme hervor und wende hastig den Blick ab. Das Herz klopft mir bis zum Hals.
Na toll. Einfach toll. Ein Blick auf seinen göttlichen Body und ich hab mich total verknallt.
Ich hätte mich ehrlich für etwas weniger oberflächlich gehalten.
13
Er hat keine Freundin.
Das habe ich gestern Abend noch aus Trish rausgekitzelt (unter dem Vorwand, ich würde mich für die Leute aus dieser Gegend interessieren). Da gab‘s anscheinend mal ein Mädchen in Gloucester, aber das ist schon seit Monaten aus. Freie Bahn, also. Was mir jetzt noch fehlt, ist die richtige Taktik.
Beim Duschen und Anziehen kann ich an nichts anderes denken als an Nathaniel. Ich komme mir vor wie ein Teenager. Als Nächstes fange ich noch an, Herzchen mit »Samantha liebt Nathaniel« zu malen. Aber es ist mir egal. Als ich einen auf reif und vernünftig machte, lief es schließlich in Sachen Männer auch nicht besser.
Beim Kämmen schweift mein Blick über die von Morgennebel bedeckte Landschaft, und ich fühle mich rundum glücklich. Ich habe keinen Grund dafür. Eigentlich ist mein Leben noch immer ein einziges Desaster. Meine Karriere ist gestorben. Meine Familie hat keine Ahnung, wo ich bin. Ich verdiene einen Bruchteil von dem, was ich früher verdient habe. Und das für einen Job, bei dem ich, unter anderem, die schmutzige Unterwäsche anderer Leute vom Boden aufklauben muss.
Trotzdem summe ich glücklich vor mich hin, als ich mein Bett mache.
Mein Leben hat sich verändert und ich mich auch, mehr und mehr. Es scheint beinahe so, als wäre die alte Samantha nur noch eine Papierpuppe. Ich habe sie ins Wasser
Weitere Kostenlose Bücher