Goettin meines Herzens
von einer Eroberung zur nächsten flatterte.
Wenn er an ihren leidenschaftlichen Kuss dachte, fühlte er sich deshalb nun äußerst unwohl. Nein, so etwas durfte nicht noch einmal geschehen, denn dies würde schicksalhafte Folgen haben, die er nicht zu tragen bereit war. Eine Mätresse konnte seine Leidenschaft, ja gar seine Zuneigung wecken – als solche hätte er für ihren Unterhalt sorgen können, ohne sich darum zu kümmern, ob er sie ein wenig zu gerne mochte. Unglücklicherweise waren Damen jedoch nicht zu einer losen Bindung bereit. Sie erwarteten, dass man ihnen die Heirat antrug, selbst solche Damen wie Mrs. Miranda Braxton.
Schon vor langer Zeit hatte er sich allerdings geschworen, eine Ehe nur aus Vernunftgründen einzugehen, niemals aus Leidenschaft. Er hegte nicht die Absicht, den gleichen Fehler wie seine Mutter zu begehen, deren Überschwang an Gefühlen sie dazu verleitet hatte, einen Mann zu heiraten, der sich mehr um Spiel und Wein scherte, denn um sie und ihre Kinder.
Deshalb galt es, Miranda in der nächsten Woche möglichst aus dem Weg zu gehen, damit er kein Unheil anrichten konnte. Auch danach sollte er den Umgang mit ihr meiden, bis einer von ihnen im sicheren Hafen der Ehe angelangt wäre. Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, kehrte er in den pompösen Salon zurück, in dem er Lady Clarissa noch ein letztes Mal residieren ließ, und erduldete die erschöpfend langweilige Gesellschaft, nur um sich von der Richtigkeit seiner Entscheidung zu überzeugen. Mit der Zeit wird es mir schon leichter fallen, der außergewöhnlich schönen Miranda zu widerstehen, redete er sich hartnäckig ein, als der erschöpfende Abend sich endlich seinem Ende zuneigte und die Draycotts sich verabschiedeten.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Lady Clarissa keinen seiner Gäste in der Abstellkammer untergebracht hatte, zog auch er sich in seine Gemächer zurück. Immerhin war es ihm durch pure Willenskraft gelungen, sich aus den Elendsvierteln von London herauszuarbeiten, sich aus dem Nichts ein Vermögen aufzubauen, sagte er sich. Verglichen damit sollte es ihm ein Leichtes sein, seine Sehnsucht nach einer Dame von zweifelhaftem Ruf und sagenhafter Schönheit zu überwinden.
Dies immer wieder wie ein Gebet wiederholend, wälzte er sich bald darauf unruhig in den Kissen hin und her, wohlwissend, dass nur ein halbes Dutzend Türen zwischen ihm und der Versuchung lagen, und hoffte inständig, die Worte würden eines Tages der Wahrheit entsprechen.
Empörend spät, erst um zehn Uhr, wachte Miranda am nächsten Morgen auf. Nachdem sie sich eilig gewaschen hatte, streifte sie ein schlichtes Baumwollkleid über, das sie ohne Leahs Hilfe anlegen konnte. Entschlossen, sich nicht um die Meinung der gegenwärtigen Bewohner des Hauses zu kümmern, zog sie sodann feste Schuhe an, um später im Garten zu spazieren, damit sie dem Earl nicht begegnen musste, und begab sich nach unten ins Frühstückszimmer.
„Guten Morgen, Miss Miranda“, grüßte Coppice, als er mit einer frischen Kanne Kaffee in der Hand eintrat. „Seine Lordschaft wünscht, dass sich die Familie um halb zwölf mit Mr. Poulson in der Bibliothek trifft“, fügte er in entschuldigendem Ton hinzu.
„Danke, ich werde mich bemühen, die Herrschaften nicht warten zu lassen“, erwiderte sie. Sie zwang sich, ihr Brötchen ganz aufzuessen und den ausgezeichneten Kaffee bis zum letzten Schluck zu genießen, bevor sie hinaus in den Garten trat.
Miranda war indes noch keine zwei Schritte auf dem von Eiben gesäumten Weg gegangen, als sie ihren Fehler bemerkte. Doch da war es bereits zu spät, umzukehren und zurück ins Haus zu eilen, ohne sich selbst zu verraten.
„Guten Morgen, Mylord“, grüßte sie den Mann, dem sie so eisern aus dem Weg gehen wollte, mit gespielter Sorglosigkeit. „Und ein schöner ist es noch dazu, nicht wahr?“
„Sehr schön, Mrs. Braxton“, erwiderte er. Zweifellos wollte er sie durcheinanderbringen, da er seine Augen bei dieser Antwort unverwandt auf ihr Gesicht richtete.
„Wer hätte geglaubt, dass uns heute ein solch sonniger Morgen beschieden ist, zumal der gestrige Tag so bewölkt war?“, fragte sie.
„Ich frage mich nur, ob solch strahlender Sonnenschein nicht zu schön ist, um lange anzudauern“, konterte er gut gelaunt.
„Dann sind Sie also tatsächlich ein Pessimist der übelsten Sorte, Mylord?“
„Finden Sie?“
„Ja, einer Fremden wie mir scheint es, Sie ziehen Wolken dem Sonnenschein vor,
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