Goettin meines Herzens
einen finsteren Blick ein.
Während er mit der Schulter ihre Schlafzimmertür aufstieß und sie zum Bett hinübertrug, stiegen bittere Erinnerungen an die Vergangenheit in ihr auf. Wenn sie nur hier bei ihrer Familie geblieben wäre, ruhig, sittsam und unverheiratet. Dann hätte sie seinem rätselhaften Blick mit Zuversicht begegnen und all die Versprechungen erfüllen können, die sie keinem anderen Mann geben würde. Trotz der Wut, die sie in ihm spürte, setzte er sie sanft auf den Stuhl vor dem Kamin, trat einen Schritt zurück und musterte ihr fahles Gesicht mit den traurigen blauen Augen.
„Ich vermute, es ist zu viel verlangt, wenn ich dich bitte, mir alles zu erzählen. Aber ich sage dir gleich, ich werde es voraussichtlich dennoch herausfinden“, sagte er.
In seiner tiefen Stimme klang eine unendliche Selbstsicherheit durch, während er ihrem Blick unverwandt begegnete, was seine Worte mehr wie ein Versprechen denn eine Drohung klingen ließ.
„Bitte nicht“, entfuhr es ihr unfreiwillig. Der Gedanke, sich der grimmigen Miene in seinem Gesicht zu stellen, die er bestimmt aufsetzen würde, wenn er erst die ganze Wahrheit über ihre Vergangenheit erführe, erschreckte sie zutiefst.
„Wäre es denn kein befreiendes Gefühl für dich, Miranda?“, fragte er, in seinen Augen schimmerte wieder der zynische Spott.
„Nein“, gab sie niedergeschlagen zu und lehnte sich erschöpft gegen die hübschen Seidenkissen, die ihre verstorbene Mama mit liebevoller Fürsorge für dieses Zimmer ausgesucht hatte.
Ihm schien bewusst zu werden, dass sie in ihrem Zustand kein Verhör ertragen konnte, denn er trat zur Seite, bedeutete den bereits wartenden Dienstmädchen, ihre Arbeit zu tun. Sofort stürmten sie ins Zimmer, um sich um die Verletzte zu kümmern.
Miranda indes spürte, wie sein Blick weiterhin auf ihr ruhte, während die Wärmflasche bereitet und das Feuer geschürt wurde. Erst als Leah und die Haushälterin ihn mit gerunzelter Stirn finster musterten, besann er sich.
„Ich muss gehen“, sagte er, Miranda einen letzten unergründlichen Blick schenkend, ehe er sich zur Tür wandte.
„Danke“, sagte sie. Abrupt hielt er inne, um sie mit hochgezogenen Augenbrauen anzuschauen. „Danke, dass Sie bei mir geblieben sind.“
„Dabei war ich doch stark versucht, Sie einfach liegen zu lassen und meinem Alltag nachzugehen“, teilte er ihr sarkastisch mit, bevor er das Zimmer verließ.
„Ich glaube, Sie haben Seine Lordschaft soeben gekränkt“, bemerkte Leah unnötigerweise.
Miranda seufzte. „Ja, ich scheine ein wahres Talent dafür zu haben“, stimmte sie zu.
„Es ist leicht, jemanden zu verletzen, der einen mag“, meinte Leah weise.
„Unsinn. Er kann es gar nicht erwarten, mich, seinen unerwünschten Gast, loszuwerden“, versuchte Miranda ihr fröhlich zu versichern, was ihr aber kläglich misslang.
„Er kann die Augen nicht von Ihnen lassen“, beharrte die Zofe.
„Ich glaube, du brauchst eine Brille, Leah.“
„Ich kann so gut sehen wie ein Falke, wenn Sie auch offensichtlich nicht dazu in der Lage sind, Miss Miranda.“
„Wolltest du nicht heute deine Brüder besuchen?“, fragte Miranda säuerlich.
„Sie haben fünf Jahre gewartet, um mich wiederzusehen. Da kommt es auf ein paar Stunden länger auch nicht mehr an. Außerdem brauchen Sie mich jetzt mehr.“
„Das ist lächerlich“, warf Miranda ein, aufrichtig verstimmt darüber, dass Leah ihre Familie wegen ihr vernachlässigte. „Es ist nur eine Fleischwunde“, fuhr sie fort, erschreckt darüber, wie dünn ihre Stimme klang.
„Von einem Schuss.“
„Es ist nur ein Streifschuss, ein Wilderer hat mich versehentlich getroffen“, wandte Miranda ein.
„Die Wilderer hier im Umkreis schießen besser. Es war bestimmt kein Wilderer.“
Da Leahs Brüder im Ruf standen, die Geschicktesten von diesem Schlage zu sein, glaubte Miranda ihr. „Dann hat sich der Schuss eben versehentlich gelöst“, bot sie an.
„Und wenn nicht?“
„Ich habe keinen solch erbitterten Feind, der es riskieren würde, wegen mir die Schlinge um den Hals gelegt zu bekommen“, beharrte Miranda. „Nein, es muss ein Unfall gewesen sein. Wahrscheinlich erzittert in diesem Moment die arme Seele bei dem Gedanken, dass fantasievolle Menschen wie du ihm Absicht unterstellen könnten und entschlossen sind, ihn aufzuspüren.“
„Lass sie in Ruhe, Leah“, sagte die Haushälterin nach einem kurzen Blick auf Mirandas bleiches Gesicht vorwurfsvoll.
Weitere Kostenlose Bücher