Goettinnensturz
nehm ich einen Pfefferminztee.«
»Kommt sofort.« Berenike machte sich an die Zubereitung.
»Ich geh jetzt weitersuchen«, brummte Stefan und verließ, ohne auf Reaktionen zu warten, den Salon. Die Tür fiel mit einem Hauch von Endgültigkeit hinter ihm zu.
»Man muss endlich die Polizei rufen«, sagte Alma in die Stille und sah Berenike insistierend an. Die tat, als bemerke sie das nicht.
»Das sind Zuständ’ hier«, stöhnte Paul fast theatralisch auf und stützte seinen Kopf mit den wilden braunen Locken in die Hände. »Erst die Monika, dann Bernd … und jetzt Sylvie. Wie soll das alles nur enden?«
»Ist nicht leicht für dich, Paul, was?« Ragnhild spielte mit den Stricknadeln in ihrem Korb. »Jetzt, wo du das Narzissenfest-Büro leitest. Übrigens, gratuliere, du machst das sicher hervorragend.«
»Danke«, dröhnte er mit rauer Stimme.
»Und?«
»Was und?«
»Wie wirst du’s anlegen?«
»Wie denn? Wie immer. Wenn ich noch eine Chance hab, heißt’s. Es muss schließlich weitergehen. Die Leut schätzen unsere Traditionen. Die einzige Neuerung wäre der Bernd gewesen, der heuer zum ersten Mal die Narzissenhoheiten ausgestattet hätte. Diese tragischen Todesfälle werfen einen schrecklichen Schatten auf unser Fest.«
»Warum wollten die Vorgänger die Ausstattung nicht mehr machen?«
»Sind in Pension gegangen, oder?«, warf Sepp ein.
»Genau. Und der Bernd kennt alle traditionellen Schnitte, kauft die Stoffe bei den Handdruckereien, wie schon seine Großeltern. Also hat sie gekauft …«
»Dann hatten beide Mordopfer etwas mit dem Narzissenfest zu tun«, überlegte Berenike laut.
»Wer hat das nicht in der Gegend? Aber dass mir gleich zwei wichtige Leut verloren gehen.« Paul stöhnte übertrieben. »Glaubt ihr, die Morde haben mit dem Fest zu tun? Muss ich mich fürchten?« Er malte mit dem Fingernagel Striche auf das Holz.
»Geh, geh«, machte Berenike und goss den Tee auf. Dann schob sie das fertig bestückte Teetablett über die Theke zu Paul. »Bitte sehr.«
»Danke.« Paul griff nach der Kanne. Sie sah winzig aus in seinen großen, kräftigen Händen.
»Nur die Sylvie hat nichts mit dem Narzissenfest zu tun. Also wenn …« Berenike schlug sich die Hand vor den Mund.
»Nicht schlimm, Berenike, wir sind alle durch den Wind.«
»Natürlich.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Earl Grey, doch der war längst kalt.
»Ich weiß noch gar nicht, wie es weitergehen soll«, fuhr Paul fort. »Bernd hat keine Kinder, keine Erben.«
»Gibts keine Interessenten für seine Aufgabe?«
»Doch, sogar jede Menge. Aber wir nehmen nicht jeden, nur weil die Sache ehrenamtlich läuft. Der Ausstatter muss zum Fest, zu der Sache an sich passen. Schwarze Domina-Dirndln und zerfetzte Lederhosen gehen gar nicht.«
Berenike sah ihn neugierig an. »Das wär doch mal eine Neuerung.«
»Geh!« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. Hände, die zupacken konnten. Berenike schob die Bilder weg, die sich in ihrem Kopf verselbstständigten, Bilder, in denen Sylvie in ihrem Kaftan vorkam.
»Glaub mir, hier will jeder das, was es immer schon gab«, sagte Paul streng.
»Meint ihr, der Mörder hat was gegen das Fest?«
»Ich fürcht mich jedenfalls nit«, lachte Paul dröhnend. »Da hätt’ der Max mehr Grund dazu.«
»Der Max? Wieso denn der?«
»Na, wie’s der treibt, lebt er schon lang gefährlich. Bei all den Liebschaften.« Paul senkte die Stimme zu einem Raunen. »Ich hab ihn mit der Monika gesehen, hinterm Zelt. Ganz schön stürmisch, die zwei.« Paul lachte ein schäbiges Lachen.
»Wie meinst jetzt?«, schaltete sich Ragnhild ein, »die zwei haben wirklich …?«
»Wirklich, ja. Soviel man im Dunkel sehen konnte, war da wenig Wäsch…«
»Oh, là, là!«, machte Ragnhild.
»Oh, là, là«, machte Paul und ließ die Faust auf den Tisch krachen, dass das Tee-Tablett scheppernd hüpfte. »Das wird sich der Bernd auch gedacht haben. Als er die zwei gesehen hat, im ›Clinch‹. Der wollt wohl pinkeln gehen.«
»Nein.«
»Doch.«
»Und?«
»Es hat eine Szene gegeben, nachher. Monika ist zurück zum Tisch gekommen, sie hätt’ sich ein bissl besser verstellen können, muss ich ehrlich sagen.«
Ragnhild zog eine Augenbraue hoch.
»Jaja, die liebe Monika. Man sollt die Männer halt nicht für blöd verkaufen. Sie hat dem Bernd erzählt, dass sie lang beim Hendlgrill warten hat müssen. Wusste ja nicht, dass er Zeuge war.« Pauls große Hand spielte mit seiner Teetasse.
»Paul, du alter
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