Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
Zeit herauszufinden, was sie plante. Helen stand kurz davor, die Insel zu verlassen. Lucas hatte keine Ahnung, ob er einen Hauch der Begabung seiner Schwester besaß, aber er wusste, wenn Helen ihn jetzt verließ, würde er sie für immer verlieren.
17
K reon stand auf dem Grundstück, vollständig in Schatten gehüllt. Er wartete, bis seine Cousins mit dem schwarzen Geländewagen losgerast waren, dann rannte er hinter ihnen her. Er konnte problemlos mit dem Wagen mithalten, und solange er sich in seiner Wolke aus Dunkelheit bewegte, würde ihn an diesem trüben Tag niemand sehen. Seit vielen Hundert Jahren hatte kein Scion das Licht so beherrscht wie Kreon und an einem bewölkten Tag konnte nicht einmal ein anderer Sohn des Apoll ihn entdecken.
Kreon war Hector und Jason am Morgen von Helens Haus zum Anwesen gefolgt. Da er nichts Genaues wusste, hatte er beschlossen, den verfeindeten Teil der Familie erst einmal zu belauschen. Sein Vater hatte ihm erzählt, dass der Cestus seiner Trägerin erlaubte, die Gestalt zu wechseln, und daher blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, bis sich seine Beute zeigte. Er war davon ausgegangen, dass sie irgendwann Kontakt zu den Verrätern aufnehmen würde, und genau das war geschehen. Jetzt brauchte er ihnen nur noch zu folgen und darauf zu vertrauen, dass sie ihn direkt zu ihr führten.
Helen sah aus dem Hotelfenster und suchte die nahezu menschenleere Straße ab, aber sie konnte Lucas nirgendwo entdecken. Sie hatte gehofft, ihn vor ihrer Abreise wenigstens ein letztes Mal zu sehen, auch wenn er sie nicht sehen konnte. Lucas war fort, der Sturm hatte sich gelegt, und sie und ihre Mutter würden schon bald die erste Fähre nehmen, die die Insel verließ.
»Helen«, rief Daphne ihr zu. »Du trägst dein eigenes Gesicht. Du darfst nicht ständig wechseln, sonst werden wir entdeckt.«
Helen wandte sich vom Fenster ab und konzentrierte sich darauf, wieder zu der hübschen Dunkelhaarigen zu werden, auf die sie und ihre Mutter sich für ihre Flucht geeinigt hatten.
»Viel besser«, lobte Daphne. »Ich kann nicht fassen, dass du diese Fähigkeit nicht schon längst entdeckt hast.«
Helen wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie war immer noch zu irritiert von ihrer neu entdeckten Begabung und ihrer wiedergefundenen Mutter, um zu entscheiden, ob sie gerade gelobt oder beleidigt worden war. Sie ging zum Ankleidetisch des Zimmers und sah sich die Fremde im Spiegel an. Der Cestus ermöglichte ihr, sich in jede beliebige Person zu verwandeln, aber sie hatte nur ein paar Stunden Zeit gehabt, es zu üben. Sobald sie in Sicherheit waren, wollte ihre Mutter ihr beibringen, wie man sich in jedes Alter und jedes Geschlecht verwandelte. Obwohl ihre Tarnung zurzeit noch recht einfach war, würde sie keiner erkennen – vorausgesetzt, sie vergaß nicht, die Illusion aufrechtzuerhalten.
»Du brauchst deine Hälfte des Cestus nicht als Herzanhänger zu tragen, das weißt du, oder?«, sagte ihre Mutter, die hinter Helen aufgetaucht war und sie im Spiegel ansah.
»Ja, ich weiß. Zumindest das habe ich schon selbst herausgefunden«, antwortete Helen mit der Stimme der Fremden.
Helens Halskette war der eigentliche Gürtel der Aphrodite, die schützende Hälfte, die sie unverwundbar machte. Der Schmuck des Gürtels bildete Daphnes Hälfte, und obwohl er keine Klinge oder Kugel aufhalten konnte wie Helens Anhänger, war das, was Daphnes Anhänger konnte, vielleicht noch unheimlicher. Er machte Daphne unwiderstehlich für jeden, den sie betören wollte.
»Das freut mich. Ich habe meine Hälfte immer als Herz getragen und gehofft, dass du das auch tust«, gestand Daphne verlegen. »Wahrscheinlich findest du, dass es mir nicht zusteht, dir gegenüber so rührselig zu sein. Aber ich bin es nun mal.«
Daphne betastete ihren Herzanhänger und öffnete den Mund, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Doch sie tat es nicht und ging ins Nebenzimmer, um zum zehnten Mal ihr Gepäck zu kontrollieren. Ein Teil von Helen wollte ihrer Mutter nachlaufen und sagen, dass auch sie immer gehofft hatte, dass ihre Halskette eine Verbindung zu ihr darstellte. Aber ein anderer Teil von ihr wollte sich das verdammte Ding am liebsten vom Hals reißen und es ihrer Mutter ins falsche Gesicht werfen.
Helen war nicht sicher, wie wirkungsvoll Daphnes Überzeugungskraft war. Sie kam vom Cestus, also war Daphne vielleicht nur sexuell unwiderstehlich, doch Helen war sich schmerzlich bewusst, wie schnell sie
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