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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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obstbeladenen Karren, die von qualmenden Lampen beleuchtet wurden, priesen mit tiefer Stimme ihre Produkte an. Ganz in der Nähe gab es ein Cafe; trotz der Entfernung konnte Yeghen das Geräusch der Würfel hören, die über Holz schlitterten: Tricktrack-Spieler. Aufs äußerste erregt, wartete er, den Blick in die Richtung gewendet, aus der das Mädchen kommen mußte.
    Die erste Begegnung mit ihr hatte sich unvorhergesehen und rein zufällig ereignet. An besagtem Abend schlenderte Yeghen unter dem wunderbaren Einfluß der Droge durch ebendiese Straße, als er sie im Licht einer Straßenlaterne auftauchen sah wie eine wunderbare Erscheinung. Ihre Blicke kreuzten sich, und er glaubte in dem ihren eine Verheißung und ein Feuer auszumachen, die er bislang nicht gekannt hatte. Ihr Blick ließ auf einen Geist schließen, der das Geheimnisvolle liebte; anstatt ängstlich und dumm zurückzuschrecken, demonstrierte er Einverständnis mit den lebendigen Tatsachen. Zum ersten Mal spürte Yeghen bei dem Blick einer Frau weder Mitleid noch Spott, sondern eine instinktive Kenntnis der menschlichen Natur samt ihrer fürchterlichsten Erscheinungsformen. Er hegte den Verdacht, daß sie die Tochter eines Beamten sein könnte; sie mochte vielleicht sechzehn Jahre alt gewesen sein und nahm Klavierunterricht; Yeghen wußte es wegen der Notenhefte, die das Mädchen betont auffällig unter dem Arm trug. Sie stolzierte daher wie eine Prinzessin, die den armen Stadtvierteln einen Besuch abstattet. Ganz sicher paßte sie mit ihren Notenheften auf eine befremdliche Art nicht in diese Gegend. In diesem Viertel kam es so selten vor und war auch so unpassend, Klavierstunden zu nehmen, daß man Gefahr lief, die Menge gegen sich aufzubringen. Es überraschte Yeghen, daß die kleinen Gören aus der Umgebung ihr keine spöttischen Bemerkungen hinterherriefen. Zweifellos flößte ihnen weniger die Stellung des Vaters als Beamter, denn vielmehr ihre Haltung Respekt ein. Ihm selbst brach jedesmal der kalte Schweiß aus, wenn er sie anzusprechen versuchte. Schließlich hatte er sich dazu entschlossen, es heute abend zu tun, auf indirekte Art und Weise könnte man sagen. Ihr zu Ehren hatte er nämlich ein Gedicht verfaßt, das er ihr auf eine elegante und originelle Weise Zuspielen wollte.
    Yeghen wandte immer die gleiche Taktik an: Wenn er sie von weitem kommen sah, ging er ihr entgegen, und so schien sich das Zusammentreffen rein zufällig zu ereignen. Fiel sie aber darauf herein? Beim letzten Mal warf sie ihm ein verschmitztes Lächeln zu, so als würde sie ihm zu verstehen geben wollen, daß sie ihm auf die Schliche gekommen sei. Hieraus hatte er geschlossen, daß sie jetzt ein wenig mehr Kühnheit von seiner Seite erwartete. Yeghen konnte sich über diese Eroberung gar nicht genug wundern. »Sie empfindet keinen Widerwillen bei meinem Anblick«, sagte er sich. »Sie ist ein wirklich mutiges Mädchen!« Oder war sie einfach nur sehr kurzsichtig? Um diesbezüglich sicher sein zu können, ließ er die Begegnung immer unter einer Straßenlaterne stattfinden. Er wollte helles Licht, so gäbe es keine falsche Perspektive. Auf diese Weise setzte er sie ordnungsgemäß von seiner Häßlichkeit in Kenntnis. Sie sollte später nicht kommen und sagen, sie habe ihn bei der abendlichen Dunkelheit nicht richtig gesehen. Jedesmal wenn sie ihn, das Gesicht gut sichtbar im Lichtschein der Straßenbeleuchtung, sah, triumphierte Yeghen innerlich. Sie mußte glauben, daß er sich für schön hielt und daß er versuchte, wenn er sich im vollen Licht zeigte, sie durch den Reiz seines Aussehens in seinen Bann zu ziehen.
    Das Mädchen ließ auf sich warten. Vielleicht war sie schon nach Hause zurückgekehrt; oder hatte sie heute keinen Klavierunterricht? Yeghen wurde langsam des Wartens überdrüssig; der strengen Kälte und den feindseligen Blicken der Passanten ausgesetzt, die ihn zweifellos für einen Dieb hielten, der ein übles Verbrechen ausheckte, verharrte er regungslos im Dunkeln. Im Grunde genommen war diese Warterei eine riskante Angelegenheit. Im nahe gelegenen Cafe hatte das Geräusch der Würfel aufgehört; eine wirre Unterhaltung hatte eingesetzt, von der Yeghen nur einige wenige Fetzen auffing. Ein Kartoffelverkäufer erwachte aus seiner Betäubung und pries lauthals die Qualität seiner Ware; er gebrauchte so wollüstige Worte, daß man glauben konnte, er beschreibe die Reize eines unmündigen Mädchens. Einige Passanten gingen nahe an Yeghen vorbei,

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