Gohar der Bettler
Amina seufzte und schwieg. Schon als Kind hatte man ihr beigebracht, daß man Irren nicht widerspricht. Dieser El Kordi hatte tatsächlich den Verstand verloren. Als hätte sie nicht schon genug Scherereien!
»Wann soll die Hochzeit stattfinden?« fragte sie mit trauriger Stimme.
»Sehr bald schon. Ich bin hier, um ihr die gute Nachricht mitzuteilen.«
»Das ist gut. Setz dich; ich möchte vorher noch mit dir reden.«
El Kordi nahm sich einen Sessel und rückte ihn an das Sofa heran, um sich der Puffmutter direkt gegenüberzusetzen.
»Was hast du mir zu sagen?«
Set Amina schien aus ihrer Lethargie zu erwachen und bewegte sich zum ersten Mal auf ihrem Sofa. Im Grunde stimmte sie der Besuch El Kordis, trotz ihrer Angst vor der Polizei, glücklich; endlich hatte sie einen akzeptablen Gesprächspartner gefunden, der die Pein ihrer gequälten Seele richtig einzuschätzen wußte. Die tragische Situation, in der sie sich befand, weckte in ihr das Bedürfnis, sich einem Menschen anzuvertrauen, und sie hatte niemanden, bei dem sie es hätte tun können. Die Mädchen waren zu töricht und zu sehr mit ihrem faden Geschwätz beschäftigt, um ein aufmerksames Ohr für ihre Klagen zu haben. Sie hatte versucht, Zayed, den Hausdiener, für ihr Unglück zu interessieren, aber der fürchtete sich so sehr vor der Polizei, daß er von nichts anderem mehr sprach, als davon, das Haus zu verlassen. El Kordi war gerade rechtzeitig gekommen: ein oder zwei Tage später wäre sie den Erstickungstod gestorben.
»Nun, mein Sohn, hast du gesehen, welches Unglück über mich gekommen ist? Was habe ich Gott nur getan?«
»Das ist eine Lappalie«, sagte El Kordi.
»Wie bitte? Du findest, daß das eine Lappalie ist? Bei Allah! Ein solches Verbrechen! Und dann auch noch in meinem eigenen Haus.«
»Solche Dinge kommen in den besten Häusern vor. Glaub mir, du machst dir völlig unnötig Sorgen.«
»Dein Wort in Gottes Ohr, mein Sohn. Ich fühle mich so alt wie die Welt.«
»Du und alt!« feixte El Kordi. »Tu doch nicht so! Ich würde mich deiner schon noch annehmen, wenn du nur wolltest.«
»Schweig, du schamloser Kerl! Ich könnte deine Mutter sein!«
Diese heftige Empörung war nichts als Theater; El Kordi wußte es und hatte seinen Spaß daran. Er sah, wie sie sich, angeregt durch seine schlüpfrige Anspielung, so glaubte er, auf dem Sofa wand. Es war aber ganz anders: Set Amina war im Augenblick ganz und gar nicht empfänglich für diese Art von Schäkerei. Eine Sache vor allem plagte sie, und zwar dieses an besagtem Abend in einer fremden Sprache geführte Gespräch zwischen El Kordi und dem Polizeioffizier.
Sie lehnte sich nach vorne, packte den Arm des jungen Mannes und zog ihn zu sich heran.
»Sieh mir in die Augen und sage mir die Wahrheit.«
»Was willst du wissen?« fragte El Kordi, den dieses Verhalten ein wenig beunruhigte. Glaubte die arme Frau tatsächlich, er würde gern mit ihr schlafen?
»Sag! Was hat er dir auf englisch gesagt?«
»Wer denn, Weib?«
»Der Polizeioffizier. Ihr habt euch auf englisch unterhalten. Ich habe zwar nichts verstanden, aber ich weiß, daß es Englisch war. Ich bin nicht blöd, ich erkenne die verschiedenen Sprachen.«
»Es ging bei dem Gespräch um private Dinge«, sagte El Kordi. »Es hatte nichts mit dem Verbrechen zu tun.«
»Bist du sicher? Hat er dir nichts über mich gesagt?«
»Nicht ein Wort. Bei meine Ehre! Beruhige dich.«
»Er hat mir ganz fürchterliche Konsequenzen angekündigt. Was habe ich ihm nur getan, diesem Mann? Warum hat er es auf mich abgesehen? Sehe ich etwa wie eine Mörderin aus?«
»Es gehört zu seinem Beruf, Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Auch mich hat er versucht zu beeindrucken. Ich versichere dir aber noch einmal: das heißt überhaupt nichts.«
»Das möchte ich dir gern glauben.«
Eine Minute lang dachte sie nach, dann sagte sie mit einem seltsamen Lächeln:
»Ich dachte mir schon, daß es so war.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich habe nicht lange gebraucht, um zu merken, um welche Art Mann es sich bei ihm handelt. Allah möge mich beschützen! Er ist schwul.«
El Kordi ließ sich in seinen Sessel zurückfallen und brach in schallendes Gelächter aus.
»Wie bitte?«
»Als hättest du es nicht selbst gewußt«, entgegnete Set Amina. »Bei den verliebten Blicken, die er dir zuwarf. Ich habe es doch genau gesehen. Es hat nicht viel gefehlt, und er hätte dich auf den Mund geküßt.«
»Ich habe mir fast so was gedacht«,
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