Gohar der Bettler
so weiterleben kannst wie bisher.«
»Du hast es beschlossen! Nun, dann muß ich dir sagen, daß das mein Leben ist und daß ich kein anderes will.«
»Versteh doch: ich möchte, daß du glücklich bist.«
»Mein Gott! Wie willst du mich denn glücklich machen? Mit deinem armseligen Gehalt vom Ministerium könntest du noch nicht einmal eine ausgehungerte Katze glücklich machen.«
»Ich werde bald eine Menge Geld verdienen«, sagte El Kordi mit kindlicher Begeisterung. »Ich arbeite an einer Riesensache. Vertraue mir.«
Er glaubte von dem, was er sagte, selbst kein Wort, aber das war ohne Bedeutung. Wichtig war allein, Nailas Wut mit Hilfe geeigneter Lügen, die keinerlei Konsequenzen haben würden, zu besänftigen. Und im übrigen wollte sie ihm im tiefsten Inneren ja sowieso gern glauben; sie mochte sich noch so sehr dagegen auflehnen, letztlich ließ sie sich immer von den schönen Worten ihres Liebhabers bezirzen. Diese bizarre Liebe, die sie bei El Kordi geweckt hatte, erfüllte sie mit Stolz. Er war so anders als all die anderen Männer, die ihr im Haus von Set Amina begegnet waren! Und obwohl er arm wie ein Bettler war, nahm er eine höhere soziale Stellung ein als sie. Denn man durfte nicht vergessen, El Kordi war schließlich Staatsbeamter und gehörte damit einer gehobenen Klasse der Gesellschaft an. Naila, die ihre schlimme Lage bedrückte, konnte sich diese eigenartige Leidenschaft nur durch die körperliche Anziehungskraft erklären, die sie auf den jungen Mann auszuüben schien. Zu Anfang hatte sie geglaubt, der Ausbruch ihrer Krankheit würde dazu führen, daß er sich von ihr abwendete, aber entgegen dieser Vermutung wurde er zu ihrer Überraschung noch feuriger, noch leidenschaftlicher als je zuvor. Diese morbide Haltung des jungen Mannes konnte sie sich nicht recht erklären. Sie wußte nicht, daß El Kordi sie als Sühneopfer eines von ihm verabscheuten gesellschaftlichen Systems betrachtete und daß sie, unabhängig davon, ob sie krank war oder nicht, in seinen Augen das personifizierte Bild einer Welt der Besitzlosen war.
An ihrem Schweigen erkannte er, daß der große hysterische Anfall vorüber war; er setzte sich auf den Rand des Bettes, beugte sich über sie und begann sie zu liebkosen. Sie ließ ihn ihre Hände, ihr Gesicht und dann ihren Körper streicheln. Sie schien glücklich und entspannt zu sein; ihre Augen glänzten fiebrig. Dieser Augenblick der Gelöstheit war jedoch nur von kurzer Dauer. Mit einem Mal entwand sie sich der Umarmung ihres Liebhabers und brach in Schluchzen aus.
»Was hast du, Liebling?«
»Es ist schrecklich! Ich kann sie nicht vergessen. Arme Arnaba!«
»Beruhige dich«, sagte El Kordi. »Denk nicht mehr daran. Wenn du weinst, wird sie auch nicht wieder lebendig. Wir können nichts mehr ändern.«
»Ich frage mich, wer dazu fähig ist, ein so abscheuliches Verbrechen zu begehen. Und dann auch noch für nichts und wieder nichts!«
»Bei Allah, ich weiß es auch nicht! Aber zweifellos ist der Kerl sehr intelligent.«
»Wie kannst du so etwas sagen? Was ist denn daran intelligent, wenn man ein armes Mädchen ermordet?«
»Jedenfalls werden sie ihn niemals zu fassen bekommen. Vor allem dann nicht, wenn sie auf diesen unfähigen Offizier setzen.«
»Hast du ihn noch mal gesehen? Hat er dich erneut verhört?«
»Nein. Ich hoffe aber, ihm eines Tages noch einmal zu begegnen. Ich habe ihm einiges mitzuteilen.«
»Was denn? Erzähl es mir!«
El Kordi lächelte verschmitzt.
»Das hat nichts mit dem Verbrechen zu tun«, sagte er. »Es ist eine persönliche Angelegenheit, die nur uns beide etwas angeht.«
»Ich flehe dich an, bring dich nicht in Schwierigkeiten. Ich kenne dich.«
»Ich bin doch schließlich kein kleines Kind!« empörte sich El Kordi. »Ich habe vor niemandem Angst. Mit diesem Offizier mache ich, was ich will.«
Das war, um die Wahrheit zu sagen, nur eitles Geschwätz; Nour El Dine war für ihn kein Feind mehr, den man fürchten mußte. Bisher hatte El Kordi sich damit begnügt, diesen sinnlosen Mord wie eine persönliche Angelegenheit, eine Art epischen Kampf zwischen sich und der Polizei anzusehen. Jetzt aber hatte eine neue Figur die Bühne des Dramas betreten, eine Figur, die er bewußt als nicht existent ausgeklammert hatte: der Täter. Schließlich gab es ihn. Die junge Arnaba hatte sich ja nicht selbst erdrosselt. El Kordi fragte sich, ob er ihn wohl kennen mochte, denn falls es sich bei ihm um einen Kunden des Bordells handelte,
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