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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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eigenartige Begebenheit zu erinnern, von der er im Verlauf des Verhörs den Eindruck hatte, daß sie den Rahmen polizeilicher Routinearbeit sprengte. Was war es noch? Ach ja! Der Offizier hatte auf einmal angefangen, Englisch mit ihm zu sprechen: eine Sprache, die nur sie beide verstanden. Aus welchem Grund tat er es? Dieses Gespräch in einer fremden Sprache hatte in der Tat etwas Zweideutiges, so als hätte Nour El Dine, indem er das Verhör abbrach, zwischen ihnen eine zweifelhafte Vertrautheit herstellen wollen. El Kordi erinnerte sich noch genau an sein erfreutes Gesicht, an den sanften Ton seiner Stimme - ein vertrauensseliger Tonfall, der zu seinem vorherigen Verhalten in vollkommenem Widerspruch stand -, als er ihm von seinem Verhältnis zu der jungen Naila er zählt hatte. Einen Moment lang hatte sich ihm der Eindruck aufgedrängt, als hätte der Offizier seine Rolle des begriffsstutzigen Beamten aufgegeben, um zu einem menschlichen Wesen zu werden, das gefallen und verführen möchte. Ihn verführen, ihn, El Kordi. Genau das war es. Bei Gott! Jetzt verstand er alles. Nour El Dine, der Polizeioffizier, dieses ehrenwerte Symbol der Staatsgewalt, war nichts anderes als ein gewöhnlicher Homosexueller.
    Während er über die humoristische Bedeutung seiner Entdeckung nachsann, durchquerte er das vornehme Regierungsviertel, bog in ein Labyrinth dichtbevölkerter Gassen ein und fand sich, ohne es bemerkt zu haben, vor Set Aminas Bordell wieder. Auf seinem ganzen Weg hatte er die zahlreichen sozialen Ungerechtigkeiten, die in ihrer monotonen Allgegenwärtigeit normalerweise seinen Blick betrübten, überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Der Gedanke an die Homosexualität des Polizeioffizers erfreute ihn dermaßen, daß er darüber seinen ganzen Haß auf die Macht der Herrschenden vergaß. Seine - uneingestandene - Angst während der letzten Tage hatte sich in einen übertriebenen und kindischen Optimismus verwandelt. Ein Homosexueller wäre das letzte, wovor er sich fürchtete. Jetzt konnte er es kaum noch erwarten, endlich mit Nour El Dine zusammenzutreffen.
    Als er an die Tür des Bordells klopfte, überstrahlte ein zufriedenes Lächeln den verschlossenen Gesichtsausdruck, den er normalerweise aufsetzte.
    »El Kordi Effendi!« rief Zayed aus. »Bei Allah! Was willst du denn hier? Das Haus ist geschlossen; wir arbeiten nicht mehr.«
    »Ich möchte euch nur einen Höflichkeitsbesuch abstatten«, antwortete El Kordi. »Laß mich herein!«
    »Wir werden streng überwacht. Hat dich jemand gesehen?«
    »Nein, niemand hat mich gesehen. Beruhige dich, ich habe mich unsichtbar gemacht.«
    »Dann komm schnell herein. Das Auge der Polizei wacht über uns.«
    El Kordi trat ein und sah, wie Zayed die Tür schloß.
    »Wie kommt es, daß du noch nicht im Gefängnis bist?«
    »Na, na, El Kordi Effendi!« sagte Zayed vollkommen verängstigt. »Laß bitte diese Scherze. Man könnte dich hören.«
    »Wer denn?«
    Zayed warf ihm, ohne zu antworten, einen vorwurfsvollen Blick zu und verschwand zögerlichen Schrittes im Gang. Man hätte meinen können, er sei von einer Schlange gebissen worden.
    El Kordi schien zufrieden mit seinem schlechten Scherz und blieb im Wartezimmer stehen. Er hatte das Gefühl, seit Jahren nicht mehr hiergewesen zu sein, obwohl sich nichts im Raum verändert hatte; der Tisch und die Korbsessel standen immer noch auf demselben Platz. Nicht einmal Set Amina schien sich seit diesem schicksalhaften Abend, an dem die Polizei ihr Haus heimgesucht hatte, vom Fleck gerührt zu haben. El Kordi bemerkte sie auf dem Sofa zusammengekauert im Halbdunkel, sie hatte eine Hand auf die blasse Wange gelegt und bot so das Schauspiel der größten Verzweiflung.
    Er trat zu ihr heran.
    »Sei gegrüßt, Weib!« sagte er, indem er sich verbeugte. »Mach dir keine Sorgen mehr; ich bin hier, um dich zu beschützen.«
    Sie hatte genau gesehen, wie er hereingekommen war und mit Zayed geplaudert hatte, mimte aber die von allem zu hart Getroffene, um dem trügerischen Treiben dieser Welt noch irgendein Interesse entgegenbringen zu können.
    »Du bist es?« sagte sie und sah ihn an wie ein Gespenst. »Bist du verrückt, hierherzukommen ! Sie haben mir verboten, Kunden zu empfangen. Willst du etwa meinen Tod?«
    »Ich bin nicht als Kunde hier, Weib! Ich besuche meine Braut.«
    »Seine Braut! Das höre sich einer an!«
    »Ja, ganz genau, meine Braut! Vielleicht wußtest du es nicht, dann teile ich es dir bei dieser Gelegenheit mit.«
    Set

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