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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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Die Beziehung, die er mit Nour El Dine unterhielt, hatte nichts mit Leidenschaft oder Geschäft zu tun, sie gründete auf einem Gefühl des wilden und erbarmungslosen Hasses. Dieser Haß resultierte nicht nur aus einer besonderen Abneigung gegenüber Nour El Dine; was Samir an ihm vor allem verabscheute, das waren die Prinzipien einer konformistischen Moral, unter denen er schon in seiner eigenen Familie so sehr litt und die der Polizeioffizier in vollkommener Weise zu verkörpern schien. Nach seinem Vater, dem Staatsanwalt - diesem integren Mörder -, war Nour El Dine der Mensch, den er am meisten verabscheute. Einen so herausragenden Vertreter dieser Gattung von Heuchlern in der Hand zu haben, mitanzusehen, wie sich dieser mit seiner schäbigen Leidenschaft bloßstellte und verzehrte, bereitete ihm ein beinahe sadistisches Vergnügen. Seine Treffen mit Nour El Dine dienten ihm folglich nur dazu, seinen Haß zu vertiefen und dessen verschiedene Nuancierungen auszuloten.
    Seit einigen Monaten schon und ohne Wissen seiner Familie hatte er sein Studium der Rechte aufgegeben und die Universität in der Absicht verlassen, das Leben nicht mehr mittels der Bücher, sondern angesichts der alltäglichen Praxis auf der Straße zu studieren.
    Nour El Dine konnte einfach nicht begreifen, warum dieser junge Mann in die Treffen mit ihm einwilligte. Für ihn blieb das immer ein Rätsel. Bisher war es ihm noch nicht gelungen, mit ihm zu schlafen, nicht einmal sein Vertrauen zu gewinnen. Mit den Argumenten, die er normalerweise gebrauchte, um diese Art der Eroberungen zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen, regte er die bissige Ironie des jungen Mannes nur noch mehr an. Dieser widersetzte sich auf sehr sarkastische Art, mit einer bemerkenswerten Intelligenz und List. Die Schwierigkeit bei ihm bestand darin, daß er zu intelligent war. Manchmal hatte Nour El Dine den Eindruck, daß Samir sich offen über ihn lustig machte und sich nur in der Absicht mit ihm traf, ihn zu provozieren.
    »Vergib mir«, sagte er mit zerknirschtem Gesichtsausdruck. »Ich weiß, daß dieser Ort deiner nicht würdig ist. Aber warum weigerst du dich auch, zu mir in die Wohnung zu kommen? Dort könnten wir viel besser miteinander plaudern.«
    »Plaudern! Was für eine plumpe Falle, Herr Offizier. Hältst du mich für ein kleines Kind?«
    »Jetzt kränkst du mich aber wirklich, mein lieber Samir. Wovor fürchtest du dich?«
    »Ich fürchte mich vor gar nichts«, antwortete der junge Mann, indem er Nour El Dine einen haßerfüllten Blick zuwarf. »Aber ich werde nicht mit zu dir kommen.«
    Der Schock, den dieser haßerfüllte Blick auslöste, ließ Nour El Dine erblassen. Sicher, er rechnete damit, gegen eine gewisse Abneigung ankämpfen, sogar einige Verletzungen seines Selbstwertgefühls in Kauf nehmen zu müssen, aber niemals hätte er gedacht, bei diesem vornehmen und schönen Jüngling auf ein so unmäßiges Gefühl wie Haß zu treffen. Auf dieses Hindernis war er überhaupt nicht gefaßt. Erschüttert faßte er sich wie ein von einem tödlichen Schmerz gepeinigter Mensch mit der Hand an die Stirn. Jedoch vergaß er nicht seine kritische Lage. Die ganze Zeit über behielt er den Eingang des Ladens im Auge, weil er fürchtete, jemanden eintreten zu sehen, den er kannte. Diese Furcht war dumm und unbegründet. Es war ausgeschlossen, daß einer seiner Bekannten in diese heruntergekommene Konditorei kommen würde. Sie waren allein, verbannt an den Rand der Welt und jedem Blick entzogen. Selbst der Besitzer drehte ihnen den Rücken zu. Er überwachte die Theke, die sich am Eingang des Ladens befand, und pries, während er die unzähligen Fliegen verjagte, den Passanten die Genüsse seiner schlechten Waren an. Die meisten Kunden aßen ihr Gebäck im Stehen auf der Gasse; einige wenige nahmen es in ein Stück Zeitungspapier eingepackt mit. Schweigsame Menschen, die so tief gesunken waren, daß nur eine Art Wunder sie noch am Leben zu erhalten schien. Nour El Dine vermochte nicht daran zu glauben, daß es sie wirklich gab. Er schloß die Augen, öffnete sie wieder, betrachtete den jungen Mann, der ihm gegenübersaß, und seufzte.
    Das auf den Tellern liegengebliebene Gebäck hatte eine Unmenge Fliegen angezogen. Samir versuchte vergeblich, sie zu vertreiben; sie schwirrten herum, ließen sich auf seinem Gesicht nieder und wären ihm beinahe in die Augen geflogen.
    »Diese verdammten Fliegen bringen mich noch um«, sagte er wütend. »Gehen wir.«
    »Ich bitte

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