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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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spielen.
    Sein Einfall machte ihn so glücklich, daß er jetzt Lust verspürte, sie zu lieben. Ohne sich zu rühren, begann er der jungen Frau am Ohr zu knabbern, wobei er ihr kleine, harmlose Obszönitäten zuflüsterte.
    Als er sie nehmen wollte, blickte ihm Naila in die Augen und sagte:
    »Schwöre, daß du es nicht warst.«
    »Ich schwöre es dir! Du kannst ganz beruhigt sein. Wir wollen nicht mehr davon sprechen!«
    Aber in seiner Stimme lag so etwas wie eine Aufforderung zum Zweifel, ein offensichtliches Verlangen, daß man ihm nicht glaubte. Naila spürte dies so deutlich, daß ihr das Blut in den Adern gefror; sie verharrte lange regungslos und steif in seinen Armen.

Die heruntergekommene Einrichtung führte ihm seinen eigenen Verfall noch deutlicher vor Augen. Diese Konditorei war wirklich schäbig, besaß aber den Vorteil, am Rande des Alten Viertels in einer Zone zu liegen, wo nur der Abschaum des Volkes und streunende Hunde verkehrten. Der ideale Ort für die von Nour El Dine bevorzugte Art der Verabredungen; nachdem er schon mehrere andere ausprobiert hatte, war seine Entscheidung schließlich auf diesen hier gefallen, um seine geheimen Liebestreffen abzuhalten. Hier riskierte er zumindest keine Indiskretionen. Allerdings teilten seine jungen Freunde ganz und gar nicht seinen Standpunkt; sie waren überhaupt nicht glücklich darüber, in diese schmutzige Absteige eingeladen zu werden, die Nour El Dine beharrlich als Konditorei bezeichnete und wo man ihnen ungenießbares Gebäck servierte. Was sollte daran Spaß machen? Sie fragten sich, ob Nour El Dine sie demütigen wollte, und zerbrachen sich den Kopf darüber, was ihn wohl dazu veranlaßte. Hierdurch haftete diesen Verabredungen etwas Düsteres an, so daß sie oft einen unglücklichen Ausgang nahmen. Auch Nour El Dine selbst fühlte sich in dieser schmutzstarrenden Umgebung nicht wohl. Er beklagte die Umstände, die ihn dazu zwangen, sich wie ein Verschwörer zu verstecken. Wie hätte er es aber anders machen sollen? Seine Polizeioffiziersuniform machte die Sache für ihn nicht gerade leichter; wo immer er hinging, spürte er, wie er alle Blicke auf sich zog. Er hätte sicherlich weniger Aufmerksamkeit erregt, wenn er vollkommen nackt herumspaziert wäre.
    Aus Gründen der Vorsicht hatte Nour El Dine einen Tisch im hinteren Teil des Ladens ausgesucht. Ihm gegenüber saß der junge Samir, der mit einer Hartnäckigkeit schwieg, als hätte er es sich so vorgenommen. Seitdem sie hier zusammensaßen , hatte er seinen Mund noch nicht aufgemacht. Auf dem Tisch standen zwei kleine Teller mit je einem Stück nicht näher bestimmbarem Gebäck. Keiner von beiden hatte es bisher angerührt. Das war im übrigen immer so: sie bestellten das Gebäck nur der Form halber. Man mußte wirklich ausgehungert oder zumindest am Ende seiner finanziellen Möglichkeiten sein, um sich zum Verzehr dieser Abscheulichkeit durchzuringen.
    »Du ißt ja nichts«, sagte schließlich Nour El Dine, um das Schweigen zu brechen.
    Das war ein Fehler. Der junge Samir schüttelte sich vor Ekel, und voller Verachtung warf er Nour El Dine einen schneidenden Blick zu.
    »Das Zeug hier soll ich essen? Wofür hältst du mich eigentlich, Herr Offizier?«
    »Ich bitte um Vergebung, mein lieber Samir. Ich habe etwas Unüberlegtes gesagt. Rühr es bitte nicht an.«
    »Unglaublich! Das machst du absichtlich.«
    »Was denn?«
    »Mich an einen so widerlichen Ort einzuladen!«
    »Ich habe es dir doch schon erklärt. Ich kann es mir nicht erlauben, Orte aufzusuchen, wo ich Gefahr laufe, Bekannte zu treffen.«
    »Wieso? Schämst du dich meiner?«
    »Darum geht es nicht. Das weißt du sehr wohl. Versteh mich doch, mein lieber Samir. Für mich ist es hier genauso unangenehm wie für dich. Aber die Umstände erfordern es.«
    Samir lachte höhnisch.
    »Die Umstände! Das nennst du Umstände?«
    »Bitte beruhige dich.«
    Samir setzte wieder seine schmollende Miene auf und sagte nichts mehr. Das auf eine niederträchtige Weise konziliante Verhalten Nour El Dines erfüllte ihn mit Widerwillen. Er war ein junger Mann von achtzehn Jahren mit feinen, regelmäßigen Gesichtszügen, dem es nicht an einem gewissen männlichen Charme mangelte. Er war barhäuptig, trug ein Hemd mit offenem Kragen und eine gutgeschnittene Sportjacke, die auf seine bürgerliche Herkunft schließen ließ. Er hatte nichts von den weiblichen Verhaltensweisen der meisten Homosexuellen; im übrigen war er weit davon entfernt, einer zu sein.

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