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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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dich. Bleib noch einen Moment.«
    »Was soll ich noch hier?«
    »Bist du nicht glücklich in meiner Gesellschaft?«
    Das ironische Lächeln Samirs ließ den Offizier verzweifeln.
    »Aber selbstverständlich doch. Es ist eine große Ehre und eine große Freude für mich. Trotzdem gibt es da eine Sache, die mich betrübt.«
    »Was ist das?«
    »Ich hätte gern, daß man uns zusammen sieht, damit ich mich unserer Freundschaft rühmen kann.«
    Sein Sarkasmus war so offensichtlich, daß Nour El Dine nichts zu antworten wußte. Und obwohl diese aggressive Einstellung und dieses unverschämte Verhalten der Grund seiner Leidenschaft für den jungen Mann waren, erfüllten sie ihn immer mit Angst. Normalerweise zeigten sich seine jungen Freunde unterwürfiger; allerdings handelte es sich bei ihnen größtenteils auch um willensschwache und charakterlose Menschen. Die Schönheit war ihr einziges Kapital: darin ähnelten sie den Frauen. Samir dagegen gehörte zu einer ganz anderen Kategorie. Noch nie war Nour El Dine bei seinen vielen Abenteuern mit professionellen Homosexuellen einem Menschen von so natürlicher Eleganz und so stolzer Gesinnung begegnet. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er echte Zuneigung für jemanden. Es handelte sich nicht mehr nur um eine vulgäre - flüchtige und schändliche - sinnliche Leidenschaft, sondern um die Begegnung zweier auserlesener Seelen. Diese Begegnung hatte ihn der Widerwärtigkeit seines Berufes entrissen, sie hatte ihm geistige Freuden in Aussicht gestellt, die ihm sein Schicksal erträglicher gemacht hätten.
    Nour El Dine stand noch unter dem Eindruck von Samirs gehässigem Blick. Dieser war noch zu jung, um so leichtfertig hassen zu können; oder er mußte eine außergewöhnliche Veranlassung dazu haben. Nour El Dine fürchtete sich vor der möglicherweise grausamen Wahrheit. Sollte Samir etwa auch ein Revolutionär sein, einer dieser jungen Menschen, die von nichts anderem träumten als davon, die Regierung zu stürzen, und für die die Polizei das Hassenswerteste überhaupt war? Zumindest würde dies sein Verhalten erklären. Nour El Dine preßte seine Kiefer fest aufeinander und setzte sich in einer so steifen Haltung auf seinen Stuhl, als würde ihn die Anwesenheit eines ihm gegenübersitzenden Anarchisten plötzlich an seine richterlichen Pflichten erinnern.
    Dieses Schauspiel dauerte allerdings nicht sehr lange. Schon bald trat ihm der Schweiß auf die Stirn, und seine Gesichtszüge zeugten von der erlittenen Niederlage und Demütigung. Er streckte die Hand aus, um den Arm seines Gegenübers zu berühren, zögerte eine Sekunde lang und ließ sie dann mit einer Bewegung, die seine ganze Niedergeschlagenheit verriet, wieder seitlich am Körper herunterfallen.
    Plötzlich begriff er, daß er nicht länger schweigen durfte: er mußte etwas sagen, sich irgend etwas einfallen lassen, um den jungen Mann zurückzuhalten.
    »Mein lieber Samir.«
    »Ja.«
    »Ich verspreche dir, daß ich dich das nächste Mal an einen feinen Ort im Europäischen Viertel ausführe.«
    »Tatsächlich! Der Herr Offizier geht mit der Zeit.«
    »Allerdings müßtest du mir einen Gefallen erweisen, mein lieber Samir.«
    »Welchen?«
    »Nun, ich würde gern sehen, daß du eine Kopfbedeckung trägst. Es schickt sich nicht, barhäuptig auszugehen.«
    »Das ist es also! Merke dir, daß ich mich anziehe, wie es mir gefällt. Im übrigen habe ich überhaupt keinen Tarbusch.«
    »Dann erlaube mir, dir einen zu schenken.«
    Nour El Dine dachte, der junge Mann würde anständiger aussehen, wenn er einen Tarbusch trüge. Er gab sich der falschen Vorstellung hin, daß das noch sehr jugendliche Alter Samirs an sich schon das untrügliche Zeichen von Homosexualität sei.
    »Einen Tarbusch. O nein, ich möchte ein Auto. Warum schenkst du mir kein Auto?«
    »Das übersteigt meine finanziellen Möglichkeiten«, antwortete Nour El Dine.
    »Beruhige dich! Es war nur ein Scherz. Was sollte ich mit einem Auto anfangen? Und um dir nichts zu verschweigen, sollst du wissen, daß mein edler Vater eines besitzt. Ich bin noch nie mitgefahren... Eher würde ich sterben.«
    »Warum denn?«
    »Das sage ich dir nicht. Du würdest es am Ende nicht verstehen.«
    Wieder herrschte Schweigen zwischen ihnen, das nur von den herumschwirrenden Fliegen unterbrochen wurde, die noch zudringlicher waren als zuvor. Nour El Dine stockte der Atem; während er den jungen Mann betrachtete, dessen letzte Worte ihn scheinbar unwiderruflich verurteilt

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