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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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Untersuchung des Mordes an einer jungen Dirne würde ihm noch einigen Arger bereiten, das verriet ihm eine düstere Vorahnung. Sein Hang, hinter einem einfachen gemeinen Verbrechen außergewöhnliche Hintergründe zu vermuten, erschwerte ihm die Untersuchung unnötig. Sein Wunsch, einen großen Fall aufzuklären, sich mit einem gleichwertigen Gesprächspartner zu messen, hinderte ihn daran, die banale Wirklichkeit zu sehen. Mit gesenktem Kopf stürmte er förmlich vorwärts, als würde die Ergreifung dieses imaginären Mörders, dieses Mörders, der einer höheren Rasse angehörte, seinem Leben einen Sinn geben können.
    Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus: er war dieser Hölle also doch noch entkommen. Zwar befand er sich noch nicht wieder auf dem Boden der Zivilisation, aber trotzdem war es schon erträglicher. Er befand sich in einer Straße, einer echten Straße mit Autos und Straßenbahnen, bevölkert mit Menschen, die sich wie lebende Wesen verhielten. Die Terrassen der Cafes waren voll von ihnen, sie gefielen sich in vorteilhaften Posen, hatten heitere Gesichter, sprachen und diskutierten voller Zuversicht miteinander. Nichts schien sie zu ängstigen, so als sei das Leben eine heitere Angelegenheit. Wieder fühlte Nour El Dine Verbitterung in sich aufsteigen. Warum mußte immer er allein dem Schrecken ausgesetzt sein? Das Schauspiel dieser Menschheit, die sich den Freuden eines immerwährenden Festes hingab, machte ihn rasend eifersüchtig. Er verübelte ihnen ihre Sorglosigkeit, ihre Fähigkeit, das Wesen der Welt zu verkennen, deren Grundlage Trostlosigkeit und Reue waren. Durch welchen Zauber entkamen sie der allgemeinen Verzweiflung?
    Die Antwort auf diese Frage war kinderleicht: diesen Menschen war alles egal, weil sie nichts mehr zu verlieren hatten. Nour El Dine weigerte sich jedoch, diese elementare Wahrheit anzuerkennen. Dann hätte er sich auch gleich wie ein Anarchist verhalten können.
    Er sah den Polizisten in Zivil an einem Tisch auf der Terrasse eines Cafes sitzen und ging geradewegs auf ihn zu.
    Dieser erhob sich.
    »Guten Tag, Exzellenz!«
    Es war ein Mann in den Vierzigern, der einen abgewetzten langen schwarzen Mantel und Stiefel mit gelben Knöpfen trug; um seinen dünnen Hals lag ein breiter kastanienbrauner Schal, dessen beide Enden seitlich an ihm herumflatterten wie die Flügel eines Raben. Er besaß nur ein Auge; aber dieses eine Auge war so viel wert wie zwei, denn in ihm funkelte ein mörderischer Schalk.
    »Nun? Hast du ihn aufgespürt?« fragte Nour El Dine.
    »Ich muß zugeben, es war ein hartes Stück Arbeit. Trotzdem habe ich ihn dann doch noch ausfindig gemacht. Dieser Hurensohn wechselt beinahe alle zwei Stunden seinen Aufenthaltsort. Man könnte glauben, er hat kein ruhiges Gewissen.«
    Nour El Dine wurde ungeduldig.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Hausnummer 17, in dieser Straße.«
    »Ist das ein Hotel? Wie heißt es?«
    »Ich weiß es nicht; es gibt kein Schild. Der Kerl wohnt im ersten Stock, im Zimmer gegenüber der Treppe.«
    »Gut gemacht. Du kannst jetzt gehen, ich brauche dich nicht mehr.«
    »Zu deinen Diensten, mein Bey!«
    Nour El Dine verließ den einäugigen Polizisten, überquerte die Fahrbahn und ging langsam den Gehsteig entlang, der von baufälligen Gebäuden mit ungeraden Nummern gesäumt wurde. Nach einigen Minuten blieb er endlich vor der Hausnummer 17 stehen; einen Augenblick lang nahm er die heruntergekommene Fassade in Augenschein, blickte nach rechts und nach links - als würde er fürchten, beim Betreten eines so schäbigen Hotels beobachtet zu werden -, ging dann durch die Tür und betrat einen übelriechenden und düsteren Flur. Von einem Hotelier war weit und breit nichts zu sehen; der Ort schien seit vielen Jahren verlassen zu sein. Eher von seinem Instinkt als von seinem Sehorgan geleitet, erreichte Nour El Dine eine Steintreppe mit ausgetretenen Stufen, die ihn in den ersten Stock hinaufführte; dort angekommen, erahnte er im Dunkeln die Konturen einer Tür, gegen die er heftig mit der Faust schlug.
    Niemand reagierte auf sein heftiges Klopfen. Nour El Dine hielt das Ohr an die Tür; drinnen bewegte sich nichts.
    Ohne länger zu warten, drehte er am Griff, öffnete die Tür und trat in ein Zimmer, dessen Größe und Einrichtung er wegen des fehlenden Lichts nicht erkennen konnte. Auch hier herrschte die gleiche Dunkelheit wie im Gang, die nur durch einige schwache Lichtstrahlen, die durch die Schlitze der geschlossenen Fensterläden drangen,

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