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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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Weg durch die apathisch hin-und herwogende Menschenmenge bahnten. Diese Nähe zum pulsierenden Leben ließ seinen Willen wieder erstarken. Auf der Suche nach einem Möbelstück, an das er sich anlehnen könnte, machte er einige Schritte und setzte sich schließlich auf die Kante eines Tisches. Dieser Besuch würde ein totaler Mißerfolg werden, wenn er nicht seine Taktik änderte. Die Schwierigkeiten, Yeghen zu verhören, erklärten sich aus der Tatsache, daß dieser über eine subversive Intelligenz verfügte, die sich über alles lustig machte. Er war vorbestraft und ein unverbesserlicher Haschischraucher; er unterhielt Beziehungen zu sämtlichen Drogenhändlern sowie den zwielichtigen Gestalten des Alten Viertels. Trotzdem glaubte Nour El Dine nicht an seine Schuld. Was er hier suchte, war lediglich eine Spur, ein Indiz, das ihn zum eigentlichen Mörder führte. Er wußte, daß der Mann, den er vor sich hatte, keinerlei Hang zur Gewalt besaß, außer der Droge nichts ernst nahm, folglich zwar der Feigheit verdächtig war, aber unfähig, ein Verbrechen zu begehen. Das Ignorieren der Wechselfalle des Lebens und der Abscheulichkeit der Existenz stellte für Nour El Dine nämlich ein sicheres Anzeichen von Feigheit dar. Erlaubte er es sich denn vielleicht, das Leben als eine nicht ernst zu nehmende Angelegenheit zu betrachten? Wohin würde es denn führen, wenn das Unglück keine Bedeutung mehr besäße?
    Wieder überkam ihn Bitterkeit, und er starrte Yeghen geistesabwesend an. Er konnte einfach nicht umhin, dieser ganzen Szene eine lächerliche und anstößige Seite abzugewinnen. Dieser spindeldürre nackte Mann, der auf seinem Bett saß und sich einem Verhör durch die Polizei unterziehen mußte, kam ihm wie etwas Absurdes und Widernatürliches vor. Überall begegnete ihm nur Hohn.
    Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, fing Yeghen auch noch zu lachen an.
    »Du hast überhaupt keinen Grund, so vergnügt zu sein«, sagte Nour El Dine. »Du bist da in eine üble Geschichte verstrickt.«
    »Entschuldige bitte, Exzellenz. Aber die Welt wird immer lustiger. Findest du nicht?«
    »Was macht dich so zuversichtlich?«
    »Die Bombe!« antwortete Yeghen.
    »Welche Bombe?«
    »Hast du noch nichts von der Bombe gehört? Herr Offizier, du überraschst mich wirklich. Selbst die Kinder wissen davon. Es sieht so aus, als hätten sie eine Bombe erfunden, mit der auf einen Schlag eine ganze Stadt zerstört werden kann. Findest du das nicht lustig? Was willst du mehr?«
    Nour El Dine verschlug es einen Moment lang vor Erstaunen die Sprache, während er zu begreifen versuchte. Dieses Verhör entwickelte sich zum reinsten Wahnsinn.
    »Deine verdammte Bombe ist mir vollkommen gleichgültig! Sie ändert nichts an deiner Lage.«
    »Aber ja doch, Exzellenz! Überlege doch einmal! Was sollte ich denn angesichts der Bedrohung durch die Bombe zu befürchten haben?«
    Die Luft wurde immer stickiger. Der Straßenlärm brach plötzlich ab, grundlos, als würde sich das Leben für immer zurückziehen. Die Häßlichkeit Yeghens faszinierte Nour El Dine; er konnte sich einfach nicht vom Anblick dieser erbarmenswürdigen Nacktheit losreißen, die Brechreiz bei ihm hervorrief. Er verzog gequält das Gesicht, wie jemand, der an Magenkrämpfen leidet.
    »Fühlst du dich vielleicht nicht wohl?« fragte Yeghen. »Was ich gesagt habe, tut mir leid. Weißt du, diese Geschichte mit der Bombe ist nur ein Scherz. Mach dir nichts draus. Jedenfalls werden sie die Bombe niemals hier in der Gegend abwerfen. Sie ist zu teuer. Glaub mir.«
    »Dreckiger Hanswurst! Halt endlich den Mund! Los, zieh dich an! Wir gehen.«
    »Um diese Zeit?« flehte Yeghen. »Hab Mitleid mit mir, Exzellenz! Was habe ich dir denn getan?«
    »Du wirst dich jetzt anziehen, Hundesohn!«
    »Ist schon gut. Ich stehe ganz zu deinen Diensten, mein Bey! Nur bitte, stoß mich nicht herum.«
    Yeghen sprang aus dem Bett und suchte seine Kleider, die kreuz und quer über einem Stuhl lagen. Er zog sich rasch an und öffnete dann die Zimmertür.
    »Nach dir, mein Bey«, sagte er, indem er sich ganz tief verbeugte.
    Nour El Dine verließ, gefolgt von Yeghen, das Zimmer. Als sie auf der Straße standen, blickten sie sich einen Moment lang an, als müßten sie sich erst einmal wiedererkennen . Yeghen war heiter gestimmt.
    »Ich lade dich zu einem Kaffee ein, Exzellenz!«
    Nour El Dine packte Yeghen am Arm und zog ihn schnellen Schrittes mit sich, indem er zwischen den Zähnen hervorzischte:
    »Gift

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