Gohar der Bettler
Gesichtsausdruck verschwand plötzlich; er grinste.
»Nun, die Mächte der Hölle sind mir auf den Fersen, Meister. Heute nachmittag hat mir ein Polizeioffizier einen Besuch abgestattet. Ich frage mich übrigens, wie er meine Adresse herausgefunden hat; ich habe mich gerade erst in diesem Hotel eingerichtet. Auf mein Wort, das muß Zauberei sein.«
»Ich vermute«, sagte Gohar, »daß er nichts gefunden hat, denn sonst wärst du nicht hier.«
»Es ging nicht um Drogen. Allerdings dachte ich zunächst auch, daß er deshalb gekommen sei. Aber nein, er hat mich sofort wissen lassen, daß er einen Mörder suche. Kurz, er verdächtigt mich, der Mörder der jungen Arnaba zu sein. Ehrlich gesagt, es freut mich, daß er sich zuerst an mich gewandt hat.«
Gohar zeigte kein Anzeichen von Erregung. Er brauchte sich noch nicht einmal zu verstellen. Die Polizei sollte nur ihre Arbeit tun; das war völlig normal. Ihn betraf es überhaupt nicht.
»Warum verdächtigen sie gerade dich, mein Sohn?«
»Du weißt doch, wie das funktioniert. Sie werden sich gesagt haben, daß der Mörder einer der Kunden des Bordells gewesen sein muß. Und weil ich ihnen bereits bekannt bin, sind sie sofort zu mir gekommen. Du weißt ja, daß ich bei ihnen meinen Ruf weghabe. Sie glaubten, auf der richtigen Fährte zu sein. Bedauerlicherweise haben sie keinen Beweis gegen mich in der Hand.«
»Was hast du dem Polizeioffizier erzählt?«
Diese Frage, auf die er gewartet zu haben schien, erfreute Yeghen.
»Ach, er hat versucht, mich zu beeindrucken, ich habe mich aber über ihn lustig gemacht.«
»Du hast dich über ihn lustig gemacht?«
»Genau, Meister! Er hat mir die schlimmsten Strafen angedroht, aber ich wußte, daß er nur Theater macht. Er kann mir überhaupt nichts anhaben. Und um seine Freundlichkeiten zu erwidern, habe ich ihm von der Bombe erzählt.«
»Von welcher Bombe, mein Sohn?«
»Na, von der Bombe, Meister. Du weißt doch, die, die auf einen Schlag eine ganze Stadt zerstören kann.«
Ohne einen Laut von sich zu geben, hatte Gohar Yeghen von seinem Gespräch mit dem Polizeioffizier erzählen lassen, als handelte es sich um eine reizende Anekdote. Aber jetzt verstand er nichts mehr. Stand sein Gefährte unter Drogen? Er begriff die Beziehung zwischen den Drohungen des Polizeioffiziers und der schlagfertigen Antwort Yeghens einfach nicht. Sollte Yeghen vielleicht auch noch etwas mit Waffenhandel zu tun haben? Ausgeschlossen war das nicht.
»Erkläre mir mal, mein Sohn, was hat die Bombe damit zu tun?«
»Das ist ganz einfach, Meister! Ich habe versucht, ihm verständlich zu machen, daß seine Drohungen angesichts der ungeheuren Bedrohung durch die Bombe lächerlich sind. Das ist aber noch nicht alles. Ihm ist diese Geschichte so sehr zu Herzen gegangen, daß er ganz blaß wurde. Die Angst machte ihn ganz krank. Es war wirklich lustig anzusehen. Am Ende tat er mir leid. Ich habe ihn wieder beruhigt, indem ich ihm sagte, daß die Bombe einfach zu teuer sei und es ihnen keinen Spaß bereiten würde, sie hier, über einem Haufen wackliger, baufälliger Häuser, abzuwerfen.«
Angesichts von so viel Naivität hob Gohar den Kopf
»Da täuschst du dich aber, mein Sohn. Du kannst mir glauben, daß sie sie sogar über ihrer eigenen Mutter abwerfen würden. Diese Halunkenbande hat vor nichts Respekt.«
»Glaubst du wirklich, Meister?«
»Das ist sogar das einzige, woran ich glaube.«
»Dann sind sie verrückt geworden!«
»Such doch nicht nach mildernden Umständen für sie. Sie sind nicht verrückt. Ganz im Gegenteil, sie sind bei klarem Verstand. Genau das macht sie so gefährlich.«
Einen Moment lang schien Yeghen so betrübt, als sei er seiner letzten Illusionen beraubt worden. Wie konnte er so naiv sein zu glauben, daß diese elende Gegend vor der Bombe sicher sei? Gohar irrte niemals in seinem Urteil über die Menschheit. Diese Hurensöhne, die die Bombe gebaut hatten, würden vor nichts zurückschrecken. Das stand unumstößlich fest.
»Meister, sag, besteht die Möglichkeit, daß sie ihnen in den eigenen Händen explodiert, diese dreckige Bombe?«
»Nein, das glaube ich nicht. Dazu sind sie zu vorsichtig und zu geschickt.«
»Nun gut, sei’s drum!« sagte Yeghen enttäuscht. »Mir wäre es jedenfalls sehr lieb gewesen, wenn sie ihnen in den eigenen Händen explodiert wäre, während sie daran herumbasteln. Das wäre der größte Spaß des Jahrhunderts. Ich hätte gern ein bißchen Spaß, Meister.«
»Hast du nicht
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