Gohar der Bettler
bringen.«
In der Nebenwohnung jammerte jetzt die Frau; sie stieß Schreie aus wie ein Tier, dem man die Kehle durchschneidet. Aber Gohar täuschte sich nicht.
»Hörst du«, sagte er, »alles endet gut. Jetzt schlafen sie miteinander.«
»Bist du sicher, Meister? Ach, das würde ich gern sehen! Das muß ein unerhörtes Schauspiel sein!«
»Ich wußte nicht, daß du ein Voyeur bist«, sagte Gohar.
»In so einem Fall, Meister, wird die ganze Welt zum Voyeur.«
Sie schwiegen und verharrten regungslos, um wie versteinert den Lustschreien zu lauschen, die aus dem Nebenzimmer herüberdrangen.
Nach einiger Zeit klirrte ein metallener Gegenstand, es war die Schüssel, in der sich die Frau des Stumpf-Mannes nach dem Liebesakt wusch.
Die Strassenbahn der Linie
13 in Richtung Europäisches Viertel kam nur stockend voran. Dem Fahrer versagte langsam die Stimme, weil er die allzu trägen Passanten, die die Schienen für einen ruhigen Landpfad zu halten schienen, fortwährend beschimpfte. Der bedauernswerte Schaffner, der sich im Gedränge der Fahrgäste verloren hatte, war nirgends zu sehen. Man hörte nur sein lautes Rufen, ihn durchzulassen. Mehr konnte er nicht erhoffen, denn sonst lief er Gefahr, bei jedem Halt - laut Bestimmung hatte er die Pflicht, auszusteigen, um die Wagen zu kontrollieren - steckenzubleiben. Daß er nicht abkassieren konnte, verstand sich von selbst.
El Kordi bereute bitterlich, daß er sich dazu hatte verleiten lassen, dieses barbarische Fortbewegungsmittel zu benutzen. Nur zu gerne wäre er dieser ungemütlichen Straßenbahn entkommen, die zudem lächerlich langsam vorankam. Aber dazu war es jetzt zu spät, weil alle Ausgänge von Menschentrauben blockiert wurden, die sich am Geländer festklammerten. El Kordi zwang sich zur Geduld; er konnte nichts tun, als abzuwarten. Sein Tarbusch, der im Gedränge beim Einsteigen schwer gelitten hatte, saß auf eine groteske Art und Weise auf seinem Schädel, ohne daß er auch nur zu der kleinsten Bewegung fähig gewesen wäre, um ihn zurechtzurücken. Er saß eingeklemmt zwischen einem dösenden kleinen Beamten mit Brille und einem dicken Weib mit ausgewaschener Melaya, die nach Zwiebeln roch und deren Bein fortwährend gegen das seine rieb. Diese Berührung begann trotz ihrer Fragwürdigkeit El Kordi zu erregen und ein wenig von seiner unbequemen Lage abzulenken. Mit großer Anstrengung drehte er den Kopf zur Seite, um das Alter der Frau abzuschätzen, bevor er noch weiter erregt wurde, aber was er zu sehen bekam, ließ ihn erschauern, und vollkommen ernüchtert kauerte er sich in seiner Ecke zusammen. Das dicke Weib war über sechzig, und sie lächelte ihn mit ihrem zahnlosen Mund unzüchtig an. Sie machte noch eine Zeitlang mit ihrem infamen Gehabe weiter, aber El Kordi blieb vollkommen unbeeindruckt.
Es war schon nach sechs Uhr abends, und der Andrang der Fahrgäste nahm unablässig zu. Das alte Weib hatte zu guter Letzt doch ihr Bein zurückgezogen, aber sie verströmte immer noch den Geruch ranziger Zwiebeln. El Kordi hätte sich am liebsten übergeben. Er schloß die Augen und ließ sich vom schrillen Bimmeln der Glocke einlullen, die der erregte Fahrer ohne Unterbrechung betätigte. Er saß nicht in dieser überfüllten Straßenbahn Richtung Europäisches Viertel, um eine Spazierfahrt zu unternehmen. El Kordi hatte anderes im Sinn. Seitdem er sich bei seiner Geliebten als Mörder der jungen Arnaba aufgespielt hatte, glaubte er sich dazu verpflichtet, eine aufsehenerregende Tat zu vollbringen, um seine Lüge wieder wettzumachen. Ihm schien, er könne statt eines Mordes problemlos einen Diebstahl begehen. Heute abend wollte er ein kühnes Vorhaben in die Tat umsetzen, über das er seit mehreren Tagen nachgedacht hatte. El Kordi kannte - er war oft daran vorbeigegangen - ein Juweliergeschäft in der Avenue Fouad, das luxuriöseste der ganzen Stadt, und er hielt sich für gerissen genug, um dort ein kostbares Schmuckstück zu stehlen, ohne sich dabei erwischen zu lassen. Allerdings wußte er noch nicht, welche Methode er anwenden sollte. Trotz seiner Übelkeit versuchte er sich alle Einzelheiten der Schmuckdiebstähle in Erinnerung zu rufen, über die er etwas in einschlägigen Zeitschriften oder Kriminalromanen gelesen hatte, ohne daß es ihm gelang, sich für eine der Vorgehensweisen zu entscheiden. Welches war die beste? El Kordi wollte zu einem Neuerer auf diesem Gebiet werden. Ein Revolutionär wie er würde logischerweise nicht auf
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