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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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alles, was er jahrelang gelehrt hatte. Diese Eifersuchtsszene bewies eine unumstößliche Wahrheit: die Überlegenheit des Mannes. Trotz seiner Verstümmelung gelang es dem Stumpf-Mann, allein aufgrund der Tatsache, daß er ein Mann war, Leidenschaft und fleischliches Begehren zu wecken. Nichts als ein Geschlecht. Aber dieses Geschlecht barg die ganze Hoffnung der Welt.
    Die Flamme der Kerze war kurz davor zu erlöschen, flackerte dann aber noch einmal auf und tauchte die Kargheit des Zimmers in ein neues Licht. Gohar kniff die Augen zusammen, blickte sich um, als sei er gerade aufgewacht, und bewunderte erneut die Armseligkeit seiner Einrichtung. Die denkwürdige Überschwemmungskatastrophe hatte keine Spuren hinterlassen. Nur die alten Zeitungen, die ihm als Matratze dienten, hatten durch den Zwischenfall Schaden erlitten: sie waren nur noch ein Haufen zerknittertes und feuchtes Papier. Er hatte noch nicht daran gedacht, sie durch andere zu ersetzen. Er nahm sich vor, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit El Kordi, den einzigen seiner Bekannten, der Zeitungen kaufte, nach welchen zu fragen.
    Es kam ihm lustig vor, sich um den Zustand seiner Schlafstelle zu sorgen, so als hätte sich nichts verändert, als hätte es den Mord an der jungen Dirne nicht gegeben. Änderte er im Grunde genommen überhaupt irgend etwas? Eigentlich handelte es sich ja nur um einen Unfall. Er fragte sich, was aus ihm geworden wäre und wie er sich verhalten hätte, wenn er dieses Verbrechen in der weit zurückliegenden Zeit begangen hätte, in der er ein ehrbares und angesehenes Leben geführt hatte. Ganz sicher hätte er sich für ein Ungeheuer gehalten und sich von Gewissensbissen quälen lassen. Während jetzt nichts mehr von Bedeutung war. Sogar ein Verbrechen ließ ihn gleichgültig. War das nicht ein begrüßenswerter Fortschritt, ein Indiz dafür, daß er auf dem richtigen Weg war? Dieser Mord hatte die letzten Bande durchtrennt, die noch zu seiner verlogenen Vergangenheit bestanden. Welch glückliche Fügung! Keine albernen Gewissensqualen mehr! Seine Gewißheit darüber, daß jede Tragödie lächerlich war, hinderte ihn an der Verurteilung seiner Tat. Er leugnete das Drama ganz einfach.
    In der Nebenwohnung begann der Stumpf-Mann von neuem zu jammern; er forderte sein Essen in einem immer weinerlicher werdenden Ton. Aber die Stimme der Frau war nicht mehr zu hören. Was machte sie? Gohar stellte sich vor, wie sie im Angesicht ihres völlig hilflosen Mannes aß.
    Er fuhr zusammen: man hatte an seine Zimmertür geklopft.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin es, Meister.«
    Es war die Stimme Yeghens. Selbst durch die Tür hindurch spürte man seine Heiterkeit.
    »Tritt ein, mein Sohn! Sei willkommen!«
    Yeghen öffnete die Tür einen Spaltbreit, streckte zunächst seinen Kopf hindurch und trat dann ganz ein, indem er sich mit einer ziemlich gelungenen ballettartigen Bewegung um die eigene Achse drehte. Während er auf Gohar zuging, neigte er sich zum Gruß fast bis auf den Boden, richtete sich wieder auf, verbeugte sich noch zwei-oder dreimal und blieb dann unbeweglich stehen, als würde er einen Befehl erwarten. Diese Begrüßung war mehr als ein einfaches Possenspiel. Es entstand der Eindruck, als würde Yeghen tatsächlich sehr viel Respekt und Ernst hineinlegen. Allerdings bemerkte Gohar diese Nuance nicht. Yeghens Possen erheiterten ihn immer; er war an sie gewöhnt.
    Da er keine Aufforderung erhielt, begann Yeghen schließlich zu sprechen:
    »Ich hoffe dich nicht zu stören, Meister!«
    »Ganz und gar nicht. Ich bin wirklich hocherfreut. Setz dich doch.«
    Gohar wollte aufstehen und ihm den Stuhl überlassen, aber Yeghen verwahrte sich vehement gegen diese Geste der Höflichkeit. Es schien, als fürchtete er, ein Idol zu stören.
    »Niemals! Ich bin dein ergebener Diener. Ich setze mich auf den Boden.«
    Er trat zur Wand zurück, ohne den Blick von Gohar abzuwenden; dann setzte er sich mit angezogenen Beinen auf den Boden. Sein Verhalten war äußerst merkwürdig, wie getragen von einer Art stillschweigendem Einverständnis bis in den Tod. Es schien, als sei Gohar mit einem Mal zu einem mythischen Wesen geworden, dem mehr Hochachtung gebührte als einem einfachen Freund.
    »Du wirst dich fragen, was mich zu dir führt, Meister!«
    »Ich hoffe, es ist ausschließlich die Freude, mich zu sehen«, antwortete Gohar.
    »Sicher. Es gibt aber noch einen anderen Grund.«
    »Allah möge uns beistehen! Was ist es?«
    Yeghens ernster

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