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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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genug Spaß? Mir scheint, dieses Jahrhundert übertrifft in seiner Possenhaftigkeit alle anderen.«
    »Du hast recht. Ich sollte mich nicht beklagen.«
    Yeghen verstummte. Dieser Exkurs über die Bombe und ihre zerstörerischen Wirkungen hatte ihn nicht seine Sorge über eine andere Bedrohung vergessen lassen, die deshalb noch schwerer wog als die durch die Bombe, weil sie unmittelbarer war. Die ganze Zeit über verschlang er Gohar förmlich mit seinen Blicken, als befürchtete er, daß dieser plötzlich verschwinden könnte. Auf seinem Stuhl inmitten des leeren Zimmers sitzend, das Gesicht von der Flamme der Kerze erhellt, gebieterisch, einer unerschütterlichen Gottheit gleich, schien Gohar gegen jede Überraschung gefeit. Aber Yeghen konnte die Vergänglichkeit dieser Situation nicht entgehen. Er würde diesen Menschen vielleicht verlieren. Beim Gedanken an diesen Verlust spürte er sein Herz vor Zuneigung dahinschmelzen. Die Freundschaft, die er für Gohar empfand, war sein einziger Daseinsgrund. Er mußte alles in Bewegung setzen, um ihn zu retten, ihn und das, wofür er stand.
    Von der anderen Seite der Wand war plötzlich ein lang anhaltendes Klagen zu vernehmen. Der Stumpf-Mann flehte wieder um sein Essen. Er schien am Ende seiner Kräfte; sein Wimmern ähnelte dem eines Säuglings.
    »Was ist das?« fragte Yeghen.
    »Das sind meine neuen Nachbarn«, antwortete Gohar. »Er hat weder Arme noch Beine; sie ist ein unbarmherziges Weib. Jeden Tag trägt sie ihn auf ihren Schultern und setzt ihn an irgendeiner Ecke im Europäischen Viertel ab, wo er bettelt. Abends holt sie ihn dann wieder ab. Er ist ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ohne sie kann er nichts machen.«
    »Ist er es, der so jammert?«
    »Ja, er verlangt sein Essen.«
    »Warum gibt sie ihm nichts zu essen?«
    »Mein lieber Yeghen, wenn ich dir das erzähle, wirst du es mir nicht glauben. Sie hat ihm eine Eifersuchtsszene gemacht. Im Augenblick schmollt sie.«
    »Das ist nicht möglich! Einem Stumpf-Mann eine Eifersuchtsszene machen! Wieso, hat er sie betrogen?«
    »Es ist nichts auszuschließen, mein Sohn. Wie er sie allerdings betrogen haben soll, weiß ich nicht«, gestand Gohar. »Aber bei Frauen muß man auf alles gefaßt sein. Selbst ein Stumpf-Mann erregt sie, Hauptsache er ist nicht impotent.«
    »Ich kann es trotzdem nicht glauben. Jedenfalls rächt sie sich auf eine schändliche Art und Weise. Einen Kranken auszuhungern! Sag, könnte man nicht etwas für ihn tun? Man kann ihn doch nicht in dieser Lage lassen, Meister! Ich habe nicht übel Lust, diesem Weib eins aufs Maul zu hauen.«
    »Möge Allah dich davor bewahren, mein Sohn! Du weißt ja nicht, was das für eine Frau ist. Sie ist ein regelrechter Dragoner. Sie ist zehnmal stärker als du. Kurzen Prozeß würde sie mit dir machen.«
    Diese Beschreibung der Lebensgefährtin des Stumpf-Mannes versetzte Yeghens Anwandlung von Heldentum einen kleinen Dämpfer.
    Sie verharrten einen Moment lang schweigend, um dem Stumpf-Mann zu lauschen, der nicht aufhörte zu jammern und zu flehen. Auf die Dauer hatte dieses pathetische Klagen eine eigenartige Wirkung auf Yeghen: er verspürte seinerseits Hunger.
    »Meister, glaubst du wirklich, daß wir nichts für ihn tun können?«
    »Nein, das würde die Sache nur noch schlimmer machen. Abgesehen davon, wird sie ihm zu guter Letzt zu essen geben. Du kannst dir doch wohl denken, daß ein solcher Mann für sie eine Goldgrube ist; niemals würde sie ihn verhungern lassen.«
    »Aber er leidet.«
    »Das stimmt; allerdings denke ich, daß ihm diese Szene im Grunde genommen überhaupt nicht unangenehm ist. In seiner Lage erfüllt sie ihn zweifellos mit großem Stolz. Mein lieber Yeghen, was würdest du empfinden, wenn eine Frau dir eine Eifersuchtsszene macht?«
    »Ich muß gestehen, daß noch keine Frau wegen mir eifersüchtig war, Meister. Und das, obwohl ich noch über alle Gliedmaßen verfüge. Das ist vielleicht ein Nachteil.«
    »Siehst du, es fehlt nicht viel und du wärst neidisch auf diesen armen Teufel!«
    Die ruhige Versicherung Gohars, der ungekünstelte zynische Unter ton seiner Äußerungen riefen bei Yeghen bewunderndes Erstaunen hervor. So sehr interessierte sich Gohar also für die Ehestreitigkeiten seiner merkwürdigen Nachbarn, gleichgültig gegenüber seinem eigenen Schicksal und der Gefahr, die ihn bedrohte. Vergnügt akzeptierte er die Folgen seines blutigen Abenteuers. Seit er das Zimmer betreten hatte, wartete Yeghen darauf, daß

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