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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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gestohlen wurde, beschwerte sie sich schließlich bei einem alten Bewunderer, der neben ihr auf dem Sofa saß und ihr wehmütig von der Vergangenheit erzählte, als sie noch eine begehrenswerte Hure war.
    »Siehst du! Sie wollen meinen Ruin, sage ich dir! Will dieser Mann denn ewig hierbleiben?«
    »Beruhige dich, Weib! Ob Polizist oder nicht, er ist und bleibt ein Kunde.«
    »Das soll ein Kunde sein? Die Pest möge mich von solchen Kunden befreien!«
    »Sei still! Er könnte dich hören.«
    »Soll er mich doch hören! Schließlich bin immer noch ich die Herrin in meinem eigenen Haus.«
    Zu guter Letzt hörte sie auf zu klagen, stützte die Hand gegen die Wange - die klassische Haltung derjenigen, die von Schmerz überwältigt werden - und beschäftigte sich nicht weiter mit dem Polizisten.
    Das Gespenst der jungen Arnaba suchte Gohars Geist nicht heim. Während er es sich in einem der Korbsessel gemütlich gemacht hatte, reihte er auf der karierten Seite eines Schulheftes mit einem gelben Umschlag Zahlen aneinander. Mit Freude hatte er seine Arbeit als Buchhalter und gebildeter Mann im Dienste einer schamlosen Puffmutter wiederaufgenommen . Die Buchführung des Bordells war von der allereinfachsten Art und erforderte keinerlei intellektuelle Anstrengung. Von Zeit zu Zeit hob Gohar den Kopf und ließ seinen Geist diese Mischung aus Wollust und nutzlosem Palaver in sich aufnehmen. Anstatt ihn zu beunruhigen, vermittelte die dauernde Anwesenheit des Polizisten in Zivil ihm vielmehr ein absurdes Gefühl von Sicherheit. Dieser Mann amüsierte ihn: mit seinen verfänglichen Fragen machte er sich lächerlich. Hatte er denn nicht bemerkt, daß alle schon seit langem seine wirkliche Identität erraten hatten? Gohar genoß es, Zeuge polizeilicher Nachforschungen zu sein, deren verschlungene Pfade schließlich zu ihm als Täter führen sollten. Seine Empfindungen hatten nichts mit Sadismus zu tun, es war ihm lediglich vollkommen gleichgültig, wie die Untersuchung ausgehen würde. All diese Anstrengungen, die zum Zwecke seiner Überführung unternommen wurden, erschienen ihm unverhältnismäßig groß angesichts der Bedeutungslosigkeit des Verbrechens.
    Weniger seine Verhaftung beunruhigte Gohar, als vielmehr die Gefahren, denen sich Yeghen aussetzte, um ihm zu helfen. Dessen Aufopferung, sein großzügiges Hilfsangebot hatten ihn wegen ihrer vollkommenen Aufrichtigkeit tiefbewegt . Yeghen war dazu fähig, die anrüchigsten Unternehmungen auszuhecken, um ihm das für seine Reise notwendige Geld zu beschaffen. Würde er sich nicht vielleicht auch noch völlig unnötig durch eine illegale Aktion selbst in Gefahr bringen? Gohar wollte das vermeiden; jetzt plagten ihn Gewissensbisse. Hätte er Yeghen nicht von seinem Vorhaben abbringen, ihm die Nutzlosigkeit jedes Versuchs, ihn zu retten, aufzeigen sollen? Angesichts dieser tätigen Zuneigung war er schwach geworden. Und hatte Yeghen dann nicht noch sein Leben in seine Hände gelegt? Konnte man denn das Hilfsangebot von jemandem zurückweisen, der einen bittet, über sein Leben zu verfügen? Das wäre eine Taktlosigkeit gewesen, eine Mißachtung der Freundschaft.
    Und wenn eine Flucht tatsächlich möglich wäre, wenn er tatsächlich nach Syrien gelangen könnte? Er stellte sich weite Cannabisfelder vor, auf denen er selbst, mit denselben Händen, mit denen er eine junge Prostituierte erwürgt hatte, das magische Gewächs anbauen würde. Ein teuflischer Traum. Er dauerte nur einen Augenblick lang.
    »Gohar Effendi!«
    Es war der Polizist in Zivil, der ihn ansprach. Ohne das Begrapschen der jungen Akila zu unterbrechen, hatte er sich Gohar zugewandt, als würde er einen Rat von allergrößter Wichtigkeit bei ihm einholen wollen.
    »Ja bitte«, sagte Gohar.
    Die wenigen Kunden, die verstreut im Warteraum saßen, spitzten die Ohren. Alles, was der Polizist in Zivil sagte, betraf sie unmittelbar.
    »Dieser Mord an der jungen Arnaba«, sagte der Polizist, »erinnert mich an eine alte Geschichte, die sich ebenfalls in einem Bordell zugetragen hat. Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnerst. Es gab da ein merkwürdiges Detail, das mir plötzlich wieder in den Sinn gekommen ist.«
    Dieser Dummkopf würde schon wieder mit ihm über das Verbrechen sprechen. Gohar hüstelte, griff nach seinem Gehstock und sagte dann mit der ihm eigenen Höflichkeit:
    »Es tut mir leid, aber ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern.«
    »Die ganze Angelegenheit ereignete sich vor dem Krieg. In den

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