Gold in den roten Bergen
Kissen unter ihren Kopf, küßte sie auf die Stirn und kletterte aus dem Bus. Draußen an der Tür lehnte Cher. Der Regen rann in breiten Bächen über ihren Körper, das Haar klebte wie eine Gummimütze um ihren Kopf.
»Wo ist Chick?« fragte Wolf und sah sich um.
»Zurück zu eurem Wagen. Ich habe ihm eine Ohrfeige gegeben. So richtig eine geschmiert …«
»Cher, du machst Fehler über Fehler.«
»Er wollte mich anfassen, Wolf. An die Brust wollte er mich fassen.«
»Das ist ja nun wirklich kein Neuland für Chick.«
»Was auch zwischen uns gewesen ist, ich bin nicht sein Besitz. Chick ist ein ganz widerlicher Tyrann. Er leidet unter einem Männlichkeitswahn …«
»O Himmel, und das mitten in der australischen Wüste! Bei einem Wolkenbruch am Lake Amadeus! Seid ihr denn alle aus dem Gleis gesprungen? Haben wir jetzt keine anderen Sorgen? Geh rein und kümmere dich um Sally.«
»Was macht sie?«
»Sie schläft.«
Wolf ging in der völligen Finsternis in die Richtung, in der er den Toyota vermutete, und stand ganz plötzlich davor; so undurchdringlich war die Dunkelheit. Die Halogenlampe hatte er bei Sally gelassen, aber ihr Licht sah er von hier aus nicht mehr. Die Nacht und die Wassermassen verschluckten alles.
Chick saß hinten im Wagen auf einer Kiste und war beleidigt. Die Nässe war von seinem Körper heruntergelaufen und bildete auf dem Boden eine große Lache. Boabo hockte auf einer anderen Kiste und hatte sich in eine Decke gewickelt; er fror.
»Wenn ich Millionär bin«, sagte Chick verbittert, während sich Wolf abtrocknete, »werde ich Cher mit jedem Weib betrügen, das mir über den Weg läuft. Sie soll vor Wut und Eifersucht die Tapeten anfressen! Nicht einen Tag bleibe ich ihr mehr treu …«
»Noch bist du kein Millionär, Chick, und wenn wir so weitermachen, wirst du's auch nie sein. Dann wäre es besser, wir verbrennen das Känguruhleder, kehren nach Alice Springs zurück und setzen uns wieder in einen Truck.«
»Ich weiß nicht, was mit Cher los ist«, sagte Chick kläglich.
»Du behandelst sie wie Dreck.«
»Ich habe auch nur Nerven, Wolf.« Chick riß eine Decke vom Boden und warf sie sich um die Schulter. Auch ihm wurde jetzt kalt. »Wir werden jetzt hier zwei Tage lang bleiben müssen. Soll der Bus irgendwo im Schlamm steckenbleiben? Und dann geht's zurück nach Nordwesten ins Haasts Bluff … Rechne mit acht Tagen Fahrt durch diese glühendrote Hölle. Sally ist krank. Whisky, Wein und zwei Kanister Benzin sind geklaut worden. Man hat uns in die Irre geführt und dann zum Verrecken allein gelassen … Da soll man noch Nerven wie Harfensaiten haben!«
»Darüber sollten wir jetzt ganz ruhig und nüchtern sprechen, Chick. Wenn wir den Lake Amadeus entlangfahren und dann nach Süden abbiegen, können wir Yulara erreichen, den Uluru Nationalpark, den Ayers Rock … und die Welt hat uns wieder.«
»Und dann?«
»Dann starten wir einen zweiten Versuch, dann sind wir klüger geworden.«
»Die anderen aber auch, Wolf. Wir werden kein zweites Mal eine Genehmigung für die Reservate bekommen. Die werden vor uns zugemauert.« Chick schüttelte langsam den Kopf. »Wir sind drin, und wir bleiben drin, bis wir das Gold gefunden haben.«
»Oder bis wir uns gegenseitig aufgefressen haben. Beim Zerfleischen sind wir ja fast schon angelangt. Es fängt mit diesen dummen persönlichen Reibereien an – und plötzlich ist es so weit, daß wir uns mit Waffen gegenüberstehen und jeder jeden umbringen will.«
»Wir doch nicht, Wolf …«
»Chick, der Mensch ist ein kompliziertes und immer noch rätselhaftes Wesen, wenn es um seine Nerven geht. Wie oft haben wir gehört, daß ein ganz normaler Mensch plötzlich durchdreht, ohne zwingenden Anlaß, durch einen Anstoß, den andere als völlig harmlos ansehen. Du kannst morgen früh aufwachen und mich tödlich hassen …«
»Ich – dich? Ausgeschlossen. Und wenn – dann schlag mir sofort den Schädel ein.«
»Siehst du, da haben wir's schon. Soll es dazu kommen, Chick?«
»Du willst also abbrechen?«
»Wir sollten uns jetzt, solange uns der Regen und der Schlamm gefangenhalten, über die nahe Zukunft unterhalten. Sally macht mir Sorgen. Der Schlag auf den Kopf war härter, als wir gedacht haben. Sie hat eine schwere Commotio …«
»Was hat sie?« Chick sah Wolf entgeistert an. »Wieso hat sie eine Kommode?«
»Commotio ist lateinisch und heißt Gehirnerschütterung …«
»Und bei dir tickt es auch nicht mehr richtig. Spricht lateinisch
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