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Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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schmal die Lücke im Riff wirklich war. Auf beiden Seiten ragten die Korallenköpfe bis knapp unter die Wasseroberfläche, und die Öffnung dazwischen war höchstens zwölf Yards breit.
    Zufrieden mit dem neuen Kurs schloss Lazue für einige Minuten die Augen. Sie nahm die rosa Farbe des Sonnenlichts auf ihren Lidern wahr, aber nicht die Bewegung des Schiffes oder den Wind in den Segeln oder die Gerüche des Ozeans. Ihre Wahrnehmung war gänzlich auf ihre Augen gerichtet, während sie ihnen eine Erholungsphase gönnte. Nur ihre Augen waren wichtig, nichts anderes. Sie atmete tief und langsam, bereitete sich auf die bevorstehende Anstrengung vor, sammelte Energie, bündelte ihre Sinne.
    Sie wusste, was auf sie zukam. Sie kannte die unausweichliche Entwicklung – ein leichter Anfang und dann der erste Schmerz in den Augen, der unaufhaltsam zunahm, dann Tränen, ein Stechen, Brennen. Am Ende würde sie völlig erschöpft sein, ihr ganzer Körper ermattet. Sie würde Schlaf brauchen, als wäre sie eine Woche wach gewesen, und wahrscheinlich würde sie zusammenklappen, sobald sie wieder hinunter aufs Deck geklettert war.
    Auf diese bevorstehende gewaltige Erschöpfung bereitete sie sich jetzt vor, indem sie tiefe, langsame Atemzüge nahm und die Augen geschlossen hielt.
     
    Für Enders am Ruder gestaltete sich die Bündelung seiner Sinne ganz anders. Er hatte die Augen geöffnet, interessierte sich aber nur wenig für das, was er sah. Enders spürte das Steuer in den Händen, den Druck, den es auf die Handflächen ausübte, die Neigung des Decks unter den Füßen, das Rauschen des Wassers am Rumpf, den Wind auf den Wangen, das Beben der Takelage, das Zusammenspiel sämtlicher Kräfte und Belastungen, die über die Lage des Schiffes im Wasser bestimmten. Ja, in diesem Zustand vollkommener Konzentration wurde Enders ein Teil des Schiffes, verschmolz fast körperlich mit ihm. Er war der Verstand, das Schiff der Körper, und er wusste haargenau, in welcher Verfassung es sich befand.
    Er wusste bis auf den Bruchteil eines Knotens, wie schnell das Schiff war; er spürte, wenn eines der Segel falsch stand; er wusste, wenn sich im Schiffsbauch Ladung verschob und er wusste auch wo; er spürte, wie viel Wasser in der Bilge war; er wusste, wann das Schiff leicht dahinsegelte, wann es alle seine Möglichkeiten ausschöpfte; er wusste, wann es an seine Grenzen kam und wie lange es so durchhalten würde und was er noch aus ihm herausholen konnte.
    All das hätte er mit geschlossenen Augen aufzählen können. Er hätte nicht sagen können, woher er es wusste, nur dass er es wusste. Jetzt, während er mit Lazue zusammenarbeitete, war er verunsichert, eben weil er einen Teil seiner Kontrolle abgeben musste, denn Lazues Handzeichen für ihn waren nichts, was er unmittelbar spüren konnte. Trotzdem befolgte er ihre Anweisungen blind, wusste er doch, dass er ihr vertrauen musste. Aber nervös machte es ihn trotzdem. Er schwitzte am Ruder, sodass er den Wind stärker auf den feuchten Wangen spürte, und jedes Mal wenn Lazue die Arme ausstreckte, korrigierte er folgsam den Kurs.
    Sie dirigierte das Schiff nach Süden. Sie muss die Bresche im Riff entdeckt haben, dachte er, und hält jetzt darauf zu. Bald würden sie die Lücke durchfahren. Schon allein bei dem Gedanken daran brach ihm erneut der Schweiß aus allen Poren.
     
    Hunter hatte derweil ganz andere Sorgen. Er hastete zwischen Bug und Heck hin und her, ohne auf Lazue und Enders zu achten. Das spanische Kriegsschiff kam von Minute zu Minute näher. Der obere Rand des Hauptsegels war jetzt deutlich unterhalb des Horizonts. Es fuhr nach wie vor unter vollen Segeln, wohingegen die El Trinidad, jetzt nur noch eine Meile von der Insel entfernt, einen Großteil ihrer Segel eingeholt hatte.
    Unterdessen hatte sich die Cassandra hinter das größere Schiff zurückfallen lassen und folgte ihm in einigem Abstand auf backbord, um sich den Kurs zur Bucht zeigen zu lassen. Das Manöver war notwendig, doch Hunters Segel nahmen der Cassandra einigen Wind, wodurch das kleine Schiff nicht genügend Fahrt machte. Das würde sich erst ändern, wenn sie genau hinter der El Trinidad war. Und dann wäre sie leichte Beute für das spanische Kriegsschiff, falls sie sich nicht dicht hinter Hunter halten konnte.
    Richtig schwierig würde es in der Einfahrt zur Bucht werden. Die beiden Schiffe mussten die Engstelle im kurzen Abstand passieren. Falls die El Trinidad nicht reibungslos hindurchkam, könnte sie

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