Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
Immerhin war er ihr verlorener Sohn. Seit Jahren hatte sie ihn nicht gesehen. Oder stimmte das etwa doch nicht? Erste Zweifel keimten in Agnes.
    »Warum lässt du diese Frau Derartiges behaupten? Hörst du nicht, wessen sie dich beschuldigt? Das ist unfassbar! Tu endlich etwas dagegen!«
    »Agnes, Liebes, reg dich nicht auf.« Gundas Stimme klang erstaunlich ruhig. In wenigen Schritten stand sie neben ihr, strich ihr zart über die Wange, ließ die Hand darauf ruhen und suchte ihren Blick. »Du weißt genauso gut wie ich, wer ich bin und was ich für dich empfinde. Vertrau deinem Gefühl. Das ist alles, was zählt.«
    Sie drückte sie fest an sich und raunte ihr ins Ohr: »Ich werde Gernot suchen. Sag der Fischartin und Caspar nichts davon. Er ist der Einzige, der uns helfen kann. Einmal muss er zu uns stehen. Das ist er mir und letztlich auch dir und deinem Bruder schuldig.«
    Sie hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, drehte sich um und verließ hoch erhobenen Hauptes die Stube.
    »Geh nur wieder!«, rief die Fischartin ihr nach. Dabei überschlug sich ihre Stimme vor Aufregung, »und komm frühestens in siebzehn Jahren zurück, wie du es schon einmal getan hast. So wird dir jeder deine Unschuld glauben.«
    Agnes wollte Gunda folgen, doch Caspar versperrte ihr den Weg. »Bleib!« Unbändige Wut verzerrte sein Gesicht. Er packte sie so fest am Arm, bis es schmerzte. »Diese Frau benutzt dich seit Jahren für ihren Rachefeldzug gegen unsere Eltern. Glaub ihr kein Wort! Sie ist eine elende Lügnerin. Das zeigt schon die Sache mit dem litauischen Eibenholz. Du hast selbst gehört, dass sie niemandem etwas davon sagen wollte. Wozu diese Geheimniskrämerei? Unser Vater ist ihretwegen in arge Bedrängnis geraten. Die nächste Lieferung hat er bezahlt, aber bislang kein Holz erhalten. Frag Rehbinder, er wird es dir bestätigen. Ich bitte dich inständig, Agnes, schenk dieser Frau keinen Glauben! Sie will unser aller Verderben.«
    Endlich gab er sie frei. Erleichtert rieb sie die schmerzenden Stellen an ihren Armen, behielt ihn im Blick. Wild wirbelten die Gedanken in ihrem Kopf, doch sie musste um jeden Preis Ruhe bewahren.
    »Ich verstehe deine Verwirrung, mein Lieber«, sagte sie leise. »Du hast gerade vieles erfahren, was dein bisheriges Leben völlig auf den Kopf stellt. Mir geht es nicht anders. Das Einzige, worauf wir beide uns wohl zweifelsfrei verlassen können, ist, dass wir Geschwister sind. Lass uns daraus die nötige Kraft gewinnen, um die volle Wahrheit ans Licht zu bringen. Ich weiß einen guten Weg, wie das gelingen kann. Versprich mir, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Die Sache ist auch so schon bitter genug. Wir sollten das alles nicht durch falsche Folgerungen noch schlimmer machen.«
    Sie schlang die Arme um ihn und presste ihn an sich. Dabei streichelte sie zärtlich mit den Fingerkuppen über das Mal in seinem Nacken. Schweren Herzens löste sie sich von ihm und schickte sich abermals an zu gehen. Wieder hielt er sie fest.
    »Bleib hier und warte mit uns gemeinsam auf die Rückkehr unseres Vaters. Er wird sagen, wessen Kinder wir sind.«
    »Nichts liegt mir ferner, als dein Vertrauen in ihn zu erschüttern. Doch denkst du nicht, er hätte damals schon eingreifen und den Raub des Zwillings verhindern müssen, ganz gleich, wer von uns beiden von welcher unserer angeblichen Mütter der wahrhaftigen entrissen wurde? Vertrau mir, Caspar: Ich kenne noch jemand anderen, den ich zu der Angelegenheit befragen kann. Jemand, der im Gegensatz zu unseren Eltern keine eigenen Gefühle im Spiel hat. Zu ihm werde ich gehen, um die Wahrheit herauszufinden.«
    Gebannt hing sie an Caspars Blick, verfolgte jede Regung auf seinem Gesicht. Mehrfach zuckte es um seine Mundwinkel, die Zungenspitze schob sich vorwitzig zwischen den Lippen heraus. Ach, wie liebte sie ihn in diesem Moment! Dass er zögerte, hieß, dass er über ihre Bemerkung zumindest nachsann. Ein Bruder wie er war ein wundervolles Geschenk Gottes. Darum musste sie kämpfen, koste es, was es wolle.
    »Wer soll das sein? Du hast doch gehört: Alle noch lebenden Beteiligten sind eben hier gewesen. Bis auf unseren Vater.«
    »Glaub mir, Caspar, es gibt noch jemanden. Mehr kann ich dir nicht verraten. Du hast es vorhin von Gunda gehört: Vertrau auf dein Gefühl. Das allein wird dir helfen, die Wahrheit herauszufinden.«
    »Caspar!«, kreischte die Fischartin plötzlich. Sie fuhren herum. Die rundliche Frau schnappte verzweifelt nach Luft und sank mit einem

Weitere Kostenlose Bücher