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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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daraufhin dein Feuermal zeigen wollte, hat sie mich nur ausgelacht und mir geraten, das besser nicht zu tun. Sonst müsste sie überall erzählen, dass ich meinem braven Kelletat arglistig die Kinder eines anderen Mannes unterschieben wollte. Dass ich eine gemeine Ehebrecherin wäre, die ihren Gemahl die Treppe hinuntergestoßen hätte, als er ihr das Verbrechen im Beisein der Hebamme auf den Kopf zusagte.«
    Die Vorstellung von Gundas damaliger aussichtsloser Lage ließ alle betreten schweigen.
    »Und Gernot? Was hat er dazu gesagt?«, fragte Agnes schließlich leise.
    »Was hätte er sagen sollen?«, fragte Gunda so leise zurück, dass Agnes sicher war, nur sie habe es gehört. »Ihm blieb keine Wahl. Die Hundskötterin hätte es auch so drehen können, dass er als Kelletats Mörder dagestanden hätte und zudem des Kindsraubs bezichtigt worden wäre. Und das bei seinem Sohn, seinem eigen Fleisch und Blut, auf das er als Vater doch ebenfalls ein Recht hatte. Ganz abgesehen davon, dass Editha den Verstand verloren hätte, wäre ihr ein weiteres Mal ein Kind von der Brust genommen worden. Nein, Gernot war sicher, für uns alle das Beste zu tun: Sein Sohn blieb bei ihm und würde von Editha und ihm voller Liebe aufgezogen werden. Und ich war des Verdachts enthoben, Ehebruch begangen zu haben. Als Witwe war es schwer genug für mich, für ein Kind zu sorgen. So gab er mir Geld und schlug vor, ich sollte ganz aus Königsberg weggehen. Das habe ich dann auch getan.«
    Von neuem senkte sich eine gespannte Stille über die Runde. Agnes rang heftig mit sich, ob sie die Mutter umarmen oder zu ihrem Platz zurückgehen sollte. Einerseits verstand sie die Not, in der sie damals gewesen war, andererseits war sie weiterhin unendlich zornig. Es war einfach unfassbar.
    »Mir ist klar, warum Ihr mich nicht zurückhaben wolltet«, erklärte Caspar ergriffen. »Ständig hätte ich Euch an Gernot erinnert. Wie aber solltet Ihr den Sohn eines Mannes lieben, der Euch das Schlimmste zugefügt hat, was man einer Frau und Mutter zufügen kann?«
    »Nein, mein Lieber, das darfst du nicht denken!«, fuhr Gunda auf und griff nach seinem Arm. »Niemals hätte mich das gehindert, dich zurückzufordern. Damals bin ich in der Absicht von den Fischarts fort, mir schnellstmöglich irgendwo Beistand zu besorgen. Ein Gespräch mit Gerda Selege aber hat mir klargemacht, dass ich tatsächlich nichts in der Hand hatte, um meine Geschichte zu beweisen. Hätte ich darauf gepocht, deine rechtmäßige Mutter zu sein, hätte ich den Beischlaf mit Gernot vor der Ehe sowie die bewusste Täuschung Kelletats zugeben müssen. Kelletats plötzlicher Tod wäre mir dann tatsächlich leicht zur Last gelegt worden. Dafür hätte nicht zuletzt die Hundskötterin gesorgt. Ich wäre im Kerker gelandet und hätte damit auch noch Agnes verloren. Nenn es feige, mein Sohn, doch nimm es mir nicht übel: Um dem allen zu entgehen, musste ich noch in derselben Nacht mit Lore und Agnes aus dem Löbenicht verschwinden. Wenigstens eins meiner Kinder wollte ich behalten.«
    »Und in Wehlau hast du kurz darauf mit Zacharias Fröbel zum Glück jemanden gefunden, der dir über diese Geschichte hinweggeholfen hat«, fiel Agnes ein. Allmählich begriff sie, worum es der Mutter ging.
    »Genau. Und mit jedem Jahr ist mir klarer geworden, wie schlimm es für dich und Caspar wäre, die Wahrheit zu erfahren. Wie hätten wir vor euch dagestanden: die Mutter eine Ehebrecherin, der Vater feige, Editha eine Kindsräuberin? Nein, meine Lieben, das wollte ich euch beiden ersparen. Fröbel hat mich darin bestärkt. Über Rehbinder und andere Kaufleute hörte ich zudem, wie liebevoll die Fischarts Caspar als ihren Sohn aufzogen. Auch Fröbel ist dir, liebe Agnes, immer ein guter Vater gewesen. Deshalb«, damit wandte sie sich wieder ausschließlich Caspar zu, »will ich dich auch jetzt nicht aus Edithas Armen reißen. Sie liebt dich aufrichtig, so wie du sie liebst. Ich aber kann und will nicht verlangen, dass du urplötzlich für mich solche Gefühle empfindest. Ich bin dir völlig fremd. Ich will dich nicht aus deiner Familie zerren, die dir jahrelang alles Glück auf Erden gewesen ist. Hätte die Hundskötterin mich nicht letztens des Kindsraubs bezichtigt, hätte ich alles so belassen, wie es ist. Das wäre für uns alle das Beste gewesen, glaubt mir.«
    »Danke«, stieß Caspar aus und sah zu Agnes. Seine Finger spielten mit dem Halstuch, fuhren fahrig darunter bis zum Nacken. Sie musste

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