Gold
inzwischen aufgetaucht und zog sich gerade die Handschuhe über. Ihre Blicke begegneten sich. Sie sah ihn verzweifelt an.
»Na schön, ich reiche dich weiter«, sagte er leise.
Er bedeutete Zoe, zum anderen Ende des Bereichs zu gehen, und brachte Kate das Handy. Als er es ihr gab, kam er sich wie ein Verräter vor.
»Stimmt was nicht?«
Er schaute sie ausdruckslos an. »Es ist Jack.«
»Was ist los?«
Er zuckte mit den Schultern. »Es ist Jack.«
Sie nahm das Handy entgegen. »Jack? Alles in Ordnung?«
Tom betrachtete sein Gesicht, das sich in ihrem Visier spiegelte. Als sie sich das Telefon ans Ohr hielt, verzog sich die unsichere Linie ihres Mundes zu einem Lächeln.
»Oh, Jack …«
Sie hörte zu, und er sah, wie sie unter dem Sichtschutz rot wurde und ihr Lächeln zu einem Strahlen wurde.
»Das werde ich«, sagte sie sanft. »Danke. Ja. Ich weiß, ich kann das.«
Sie hüllte sich förmlich in den Klang seiner Stimme und drückte sie an ihre Wange.
»Ich liebe dich auch«, sagte sie, und zwei kleine Tränen liefen unter ihrem Visier hervor und die Wangenknochen herunter.
Sie beendete das Gespräch und wandte sich an Tom.
»Danke.«
»Wofür?«
»Dass er mir Glück wünschen durfte.«
Pädiatrische Intensivstation, North Manchester General Hospital
11.58 Uhr
Jack steckte das Handy ein und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Seine Neuronen knackten und zischten wie ein Radio mit einer atmosphärischen Störung. Er wusste nicht, ob Sophie schlief oder bewusstlos war, und die Krankenschwestern waren zu beschäftigt, um es ihm zu sagen. Seine Tochter lag still da, aber ihr Körper sprach durch die Maschinen zu ihm. Sie piepsten und nahmen das Diktat auf. Er sah zu, wie sie die Vitalzeichen als Linien auf Monitore schrieben. Ihr Herzschlag lag bei achtundachtzig. Sie atmete ohne fremde Hilfe zweiundzwanzigmal pro Minute. Er merkte, wie er mit den Füßen im Rhythmus der Monitore klopfte. Sein Körper schwankte in seltsamen Synkopen, während er sie zum Weiterleben zwingen wollte.
Vorhin am Telefon war er kurz davor gewesen, Kate alles zu sagen. Er konnte die Verantwortung unmöglich allein tragen.
Als er sah, wie die durchsichtige grüne Atemmaske über Sophies Gesicht beschlug, spürte er eine furchtbare Beschleunigung. Der Gedanke, Sophie könnte sterben, war seit der ersten Diagnose da gewesen, doch eher wie ein unerfreulicher Ort auf der Landkarte, wie die Elfenbeinküste, die einem keine akute Angst einflößte, weil man aus Angst gar nicht erst dorthin fuhr. Sie war ein Ort, an den mutigere Leute reisten oder der einem wenigstens Zeit ließ, um die Taschen zu packen. Doch nun saß er hier, ganz plötzlich, im Jogginganzug, mit dem Hausschlüssel, dem Autoschlüssel, dem Handy und 5,73 Pfund in der Tasche, und erlebte, wie etwas mit Sophie passierte, das tatsächlich nach Sterben aussah. Das war das Wesen der Zeit: Sie glich einer breiten, eleganten und sanft hinabführenden Wendeltreppe, deren letzte Stufen unerwartet brüchig waren.
Er brauchte Kate. Er brauchte ihre Hand. Wenn dies der letzte Fall war und sie nicht gemeinsam fielen, würden sie auseinanderfallen.
Er versuchte, sich zu beschäftigen, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und suchte die Proclaimers. Dann wählte er Five Hundred Miles , weil es Sophies Lieblingslied war. Als er zum Refrain kam, nahm er einen Ohrstöpsel heraus und steckte ihn in ihr Ohr. Der Rhythmus des Songs verband sich mit dem Piepsen des Herzschlags und wich wieder davon ab. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
Er beugte sich vor und flüsterte ihr zu, dass Kate unterwegs sei, dass Sophie kämpfen und durchhalten solle.
Sie ließen ihn jetzt ihre Hand halten, was er als gutes Zeichen gedeutet hatte – als Beweis, dass sie außer Gefahr war. Inzwischen aber war ihm der Gedanke gekommen, dass die Krankenschwestern ihm eine Botschaft übermitteln wollten, die er nur widerwillig verstand.
Zuerst hatten sie ihn draußen warten lassen, so dass er Sophie nur Zeichen durch die Drahtglasscheibe in der Tür geben konnte. Sie wusste nicht, was mit ihr passierte, und Jack hatte sein Bestes getan, wobei es schwierig war, mit Handzeichen zu sagen: Es geht dir gut, es geht dir wirklich gut, all diese Ärzte und Krankenschwestern, die um dich herumlaufen, übertreiben ein bisschen. Aber es wäre unhöflich, ihnen zu widersprechen, wenn sie sich solche Mühe geben. Es war nicht leicht, diese Botschaften durch eine dicke Scheibe zu übermitteln. Man musste
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