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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Badewanne zu stemmen, indem er die Handflächen auf den Rand legte und seinen drahtigen Körper so weit in die Höhe hievte, dass er eine Hinterbacke auf die Kante manövrieren, die Beine anheben und sich auf halbwegs kontrollierte Weise auf die blaue Badematte fallen lassen konnte. Wenn er dann wieder zu Atem gekommen war, würde er über den Boden kriechen, um sich schließlich an den Stäben des beheizbaren Handtuchhalters in die Höhe zu ziehen. Ach du Scheiße, dachte er. Das ist also jetzt meine beste Option: im modernistischen Badezimmer einer Dreizimmerwohnung mit doppelverglasten Scheiben und einem Julia-Balkon, die sich in einem reanimierten Wohnblock befindet, von dem man einen teilweise verstellten Blick auf den Kanal genießt, neunzehntausend Kilometer von meinem Geburtsort entfernt, aus der Badewanne auf den Boden zu fallen.
    Die Kälte hatte ihn jetzt im Griff, und er hatte nicht genug Kraft in den Armen, um sich aus der Wanne zu hieven. Er überlegte lange, was er tun sollte, doch ihm fiel nichts ein. Das Problem bestand jetzt nicht mehr in einer Zehntelsekunde, die ihn vom Siegertreppchen trennte. Nein, er schaffte es schlicht und einfach nicht aus der Badewanne. Er kämpfte gegen die Tränen an. Er hatte seit 1968 nicht mehr geweint, und diese Genugtuung gönnte er dem 21. Jahrhundert nicht.

Lars’ Hof, Chott-Salzwüste, Planet Tatooine, Territorien am Äußeren Rand, Arkanis-Sektor, 43   000 Lichtjahre vom Zentrum der Galaxis.
Oben
    Nur wenn Sophie ein Jedi-Ritter war, fühlte sie sich nicht erschöpft. Sie lag auf ihrem Heimatplaneten bäuchlings im Bett, gekleidet in ein schwarzes Skywalker-Gewand, das Lichtschwert bereit, und schaute eine Aufnahme von sich selbst auf ihrem iPad an. Auf dem Bildschirm erklärte sie gerade C-3PO, einem Protokolldroiden, die Geografie des Landes.
    »Wenn das Universum ein helles Zentrum hat, bist du auf diesem Planeten am weitesten davon weg.«
    Ihre Lippen bewegten sich, während sie sich auf dem Bildschirm die Worte sprechen sah. Durch die Wand ihres Zimmers konnte sie Dad im Bad singen hören. Durchs Fenster hörte sie Kinder lachen und schreien, während sie mit ihren Fahrrädern auf der Straße fuhren. Sie dämpfte die Geräusche, indem sie die Kopfhörer noch fester in die Ohren drückte. Es war ein verwirrendes Phänomen, dass man die Erdgeräusche hier auf Tatooine hören konnte. Es musste eine Art von Raum-Zeit-Effekt sein, der durch die Gravitation der Zwillingssonnen des Planeten verursacht wurde. Als Jedi hatte sie versucht, die Geräusche auszublenden. Zeit und Raum waren wie die Stützräder eines Fahrrads – man war ziemlich eingeschränkt, solange man nicht ohne sie fahren konnte.
    Die Wände ihres Zimmers waren mit Star Wars- Postern tapeziert. Der Schirm der Deckenlampe war der im Bau befindliche Todesstern. Auf dem Boden neben ihrem Bett stand ihr kostbarster Besitz – ein perfektes Modell von Han Solos Raumschiff, dem Millennium Falken . Etwa sechzig Zentimeter lang und so gestaltet, dass man hineinschauen konnte. Es gab zwei Girodyne SRB42 Sublichttriebwerke, den Isu-Sim SSP05 Hyperantriebsgenerator und den Novaldex Schildgenerator. Es störte sie nur, dass das Raumschiff keine Toilette hatte. An Rück-und Unterseite besaß es AG-2G Vierlingslaserkanonen der Corellian Engineering Corporation und unter dem Fußboden ein komplexes Netz aus Schmuggelverstecken, aber man konnte nirgendwo pinkeln. Selbst wenn einem Zeit und Raum egal waren, dauerte eine Reise durchs Universum ganz schön lange, wenn man dringend musste.
    Die Kinder draußen auf der Straße wurden lauter. Nebenan sang Dad unter der Dusche Over the rainbow , bekam den Text aber nicht richtig hin.
    Sophie beschloss, sich alle Aufnahmen noch einmal anzusehen, um daraus zu lernen. Sie sah sich Eine neue Hoffnung und Das Imperium schlägt zurück im Schnellvorlauf an und stoppte nur bei den Szenen, in denen der Millennium Falke vorkam. Immer noch kein Klo.
    Ihr war ohnehin ziemlich schlecht, und der Schnellvorlauf machte es nicht besser. Ihr Magen verkrampfte sich, ihre Speicheldrüsen sonderten eine süßlich-metallische Flüssigkeit ab. Sie achtete nicht darauf und wechselte zu Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Hier tauchte der Falke kaum auf, und sie kehrte bald zu der Szene auf dem Todesstern zurück, in der Skywalker Vader schließlich zur Rede stellt.
    Sie ließ den Film normal laufen und sah zu, wie sie von den Machtblitzen getroffen wurde, die aus den Fingern des Imperators

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