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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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ihr gut?«, wollte Zoe wissen.
    »Im Augenblick ist sie ganz in ihrer eigenen Welt. Es ist, als wollte sie überhaupt nichts mit mir zu tun haben.«
    Ihre Stimmen verklangen, als sie die Straße hinunterfuhren.
    Sophie kniete auf dem Boden, die Arme über dem Bauch gekreuzt. Chewbacca schaute sie vorwurfsvoll an, bis zu den Achselhöhlen in Kotze.
    Wäre es ihr nicht so schlecht gegangen, hätte sie gelacht. Sie konnte den klagenden Schrei des Wookiees förmlich hören.

Badezimmer, Wohnung 12, The Waterfront, Sport City, Manchester
    Tom versuchte es noch einmal, kam aber immer noch nicht aus der Badewanne. Er brauchte Wärme, um die nötige Kraft aufzubringen, und er brauchte Kraft, um hinauszuklettern und sich aufzuwärmen. Es war wie ein beschissener Abklatsch von Catch 22 , nur steckte er nicht in einer Bomberschwadron, sondern in einer Badewanne fest. Verdammt, und außerdem würde Zoe in fünf Minuten hier auftauchen. Man konnte über das Mädchen sagen, was man wollte, pünktlich war sie immer. Weil sie ihren Lebensunterhalt damit verdiente, Millisekunden vor den schnellsten Menschen auf Erden ins Ziel zu kommen, fiel Zoe das Pünktlichsein leichter als anderen.
    Er zog sich erneut am Rand der Badewanne hoch, wobei er die ganze Kraft seines Oberkörpers einsetzte. Ein kalter Muskel in seiner Schulter riss, und er klatschte zurück ins Wasser.
    »Verdammt, du hinterhältiger Mistkerl«, sagte er zu seinem linken Deltamuskel.
    Zitternd massierte er seine Schulter und überdachte die Situation. Genau besehen wäre es am besten, wenn er schnell und sauber an Unterkühlung starb, bevor Zoe eintraf.
    Es läutete an der Tür. Seufzend griff er zum Handy und wählte Zoes Nummer. Nach mehrmaligem Klingeln meldete sie sich.
    »Hör mal, ich will nicht lange drumherum reden. Ich stecke in der Badewanne fest. Meine Knie blockieren.«
    »Scheiße. Ich meine, okay. Hat jemand einen Schlüssel?«
    »Herrgott noch mal, Zoe. Wem sollte ich denn einen Schlüssel geben?«
    »Keine Ahnung.«
    »Genau, und zwar, weil du dich nicht im Geringsten für das Leben anderer Menschen interessierst. Kate hingegen – «
    »Sie ist bei mir.«
    »Was?«
    »Ich dachte, wenn ich sie mitbringe, machst du mich nicht so fertig. Sollen wir die Tür aufbrechen?«
    »Ich weiß nicht. Könnt ihr das denn?«
    »Moment mal …«
    Er hörte ein Splittern, dann knallte seine Wohnungstür gegen den Stopper.
    »Ja«, sagte Zoe. »Das kommt von dem Krafttraining, zu dem du uns immer zwingst.«
    »Wartet mal«, sagte Tom. »Noch nicht reinkommen.«
    Er kam nur an die Flasche mit dem Badezusatz. Also leerte er ein Drittel in die Wanne und wirbelte Schaum auf, damit sie nicht seinen knochigen Körper sehen konnten, die Haut, die lose von den geschrumpften Muskeln hing, seinen Schwanz, der sich vor der Kälte versteckte.
    Er zwang sich, sich zu entspannen. Es war eine blöde Situation, sonst nichts. Sie könnten ihm ein Handtuch reichen. Irgendwie würden sie schon alle ihre Würde bewahren, während ihm die Mädchen aus der Wanne halfen. Es war eben einer dieser unglückseligen Augenblicke im Leben, wie eine Dinnerparty. Man brauchte keinen Spaß daran zu haben, um es zu überleben.
    Er und die Mädchen würden das durchstehen und später bei einem Kaffee darüber lachen. Immerhin mussten sie ihm nicht den Arsch abwischen oder so. Er würde die Situation schon regeln.
    »Ihr könnt reinkommen.«
    Er hörte ihre Schritte im Flur und sah zur Tür, wobei er sein schiefes Grinsen vorbereitete. In diesem Moment entdeckte er am Waschbecken seine Zahnprothese, die in einem Glas mit Mundspülung lag. Die oberen sechs Schneidezähne, aus Acryl geformt und farblich seinen eigenen Zähnen angeglichen. Sein Magen verkrampfte sich. Er drückte mit der Zunge gegen den Gaumen und fand die Lücke mit den beiden Klammern aus Chirurgenstahl, mit denen die Prothese befestigt wurde. Er wusste nicht, was er sich vorgestellt hatte – dass seine Zähne an zwei Orten gleichzeitig sein konnten, im Glas und in seinem Mund? Aus seinem Unbewussten tauchte das Bild seiner Schneidezähne auf, die wie weiße Samenkörner auf den Brettern einer Radrennbahn verstreut lagen. Herrgott, daran wollte er sich nun wirklich nicht erinnern.
    Seine dritten Zähne in dem Glas zu sehen verlieh ihm eine verzweifelte Kraft, und er stemmte sich noch einmal an den Seiten der Badewanne hoch. Diesmal konnte er sich über den Rand schieben. Er fiel wie ein nasses Stück Fleisch auf den Boden und zog sich bis

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