Gold
entschlossen an.
»Nein«, sagte Kate. »Du bist unser Coach. Außer dir hält es doch niemand mit uns aus.«
Zoe nickte mit ruhiger Miene. »Sag das nie wieder.«
Tom schluckte. »Ihr seid solche Schwachköpfe.«
Unter Schmerzen ging er in die Küche und tat etwas, was er seit Mexiko ’68 nicht mehr getan hatte. Er ließ zu, dass genau zwei Tränen über seine Wangen rollten. Dann hustete er, wischte sich das Gesicht ab und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
»Ich bringe euch beide zu Olympia«, sagte er. »Versprochen.«
»Schon gut, schon gut«, sagte Zoe. »Aber was ist aus deinen Zähnen geworden?«
»Wenn du das noch einmal erwähnst, kannst du deine vom Boden aufsammeln.«
Kate lachte. »Jetzt mal im Ernst.«
»Ich meine es ernst. Ein nettes Mädchen wie du braucht nicht zu wissen, wo ich meine Zähne verloren habe.«
Draußen sagte Kate: »Ich nehme an, er ist mal gestürzt.«
Zoe schüttelte den Kopf. »Nein, er hat sie sich ziehen lassen, damit es mit den Blowjobs besser klappt.«
Kate zuckte zusammen. »Du brauchst echt Hilfe.«
Zoe zeigte ihr den Mittelfinger. »Und du brauchst ein bisschen mehr Tempo auf der letzten Geraden.«
»Ich bin schneller als du.«
»Bist du nicht.«
»Viel schneller«, sagte Kate. »Ich lasse dich beim Training nur ab und zu gewinnen, um dich zu verwirren.«
Zoe schaute sie finster an. »Ich lasse dich in dem Glauben, dass du mich verwirrst, und gewinne einfach.«
Ihre Räder waren an das Geländer vor Toms Wohnung gekettet. Es war dunkel, der Nieselregen kälter geworden. Sie öffneten die Schlösser, wischten die Sättel trocken und schalteten Vorder-und Rücklichter ein. Kate zog ihren Helm und eine gelbe Leuchtweste an, während Zoe sich nicht um solchen Kram kümmerte.
Sie grinste, als Kate aufblickte.
»Was?«, fragte Kate.
»Ein Rennen zu meiner neuen Wohnung.«
»Was, dem Himmelspalast? Deinem Hochhaus-Xanadu?«
»Verarsch mich ruhig. Wenn du meine Wangenknochen hättest, würdest du auch da oben wohnen.«
»Ich bin aber nicht wie du. Ich brauche keine Bestätigung.«
»Mein Gott! Wenn du keine Radrennfahrerin wärst, wärst du garantiert eine dieser pausbäckigen, aber extrem selbstgerechten Kolumnistinnen geworden.«
»Wenn du keine Radrennfahrerin wärst, würdest du dir dein Selbstwertgefühl in Pornofilmen holen und dich von Kerlen mit tätowierten Waden bumsen lassen.«
Zoe warf den Kopf zurück und stieß das helle, sorglose Lachen aus, mit dem sie überspielte, wenn ein Scherz ihr wirklich Angst machte. Als sie Kate ansah, hatte sie sich wieder gefasst.
»Ja, aber wir sind nun mal Radrennfahrerinnen, also lass uns ein Rennen machen.«
Kate konnte schlecht nein sagen. Sie hatte eine Grenze überschritten und musste das wiedergutmachen.
»Na schön. Wenn du das brauchst.«
»Ooooh!«, rief Zoe, wackelte vor Aufregung mit den Zehen und flatterte mit den Händen wie ein Huhn, das fliegen will.
Kate spürte, wie die Anspannung nachließ, und musste lachen – Zoe fuhr wirklich auf Rennen ab. Die Dinge, die sie nicht aussprechen konnten, wurden mit jedem Tag unerträglicher. Bei einem Duell auf Rädern konnten sie Dampf ablassen. Es war gefährlicher als zu streiten, aber sicherer als ein richtiges Gespräch.
»Na los«, sagte Kate.
»Du kennst den Weg, oder?«
»Ja, klar. Gib mir deinen Wohnungsschlüssel.«
»Wieso?«
»Weil ich ohnehin vor dir da bin, vergessen? Ich kann schon mal den Kessel aufsetzen und dir eine schöne Tasse Tee machen.«
»Heb dir deine Kraft fürs Fahren auf.«
Die beiden Frauen klickten sich in ihre Pedale ein und fuhren in den kalten, schwarzen Nieselregen. Ihre Rücklichter beschrieben eine rote Spur auf dem Asphalt. Sie einigten sich stumm darauf, es langsam angehen zu lassen, und blieben beieinander, während sie sich durch den trägen Verkehr schlängelten, der sich in die Stadtmitte wälzte. Als sie am Stadion von Manchester vorbeifuhren, schauten sie einander an, nickten und legten los. Sie fuhren leicht und mühelos, als wären ihre Körper und Räder eins geworden. Sie traten in die Pedale und näherten sich ihrem Renntempo.
Sie hatten jetzt eineinhalb Kilometer gerade Strecke vor sich, nach Westen die Ashton New Road entlang bis ins Stadtzentrum, und obwohl die Straße in jede Richtung nur einspurig war, trennte ein breiter Markierungsstreifen die beiden Fahrbahnen. Sie rasten nebeneinander über den Mittelstreifen, immer wieder ließ sich eine zurückfallen, um im Windschatten der anderen zu
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