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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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verbogenen Radkränzen in den Kofferraum des Streifenwagens gelegt. Mindestens drei Fahrzeuge hatten es überrollt. Die Radfahrerin saß aufrecht im Krankenwagen, eingewickelt in eine silberne Wärmedecke, und wurde von ihrer Freundin getröstet.
    Als er die Fakten des Unfalls in seinen Bericht eintrug und schließlich zu dem Kasten mit dem Stichwort Zusammenfassung gelangte, erschien es ihm ganz simpel: Die verletzte Partei war in den kreuzenden Verkehr gefahren, während die Freundin vorher gebremst hatte. So einfach war die Welt. Vor einer roten Ampel gab es zwei Typen von Menschen. Die einen gaben noch mal Gas, die anderen traten auf die Bremse. Es war wie Adam und Eva, Kain und Abel. Sinnlos, sich deswegen einen Kopf zu machen. Dafür wurde er nicht bezahlt.
    Er verharrte einen Moment bei dem Kasten mit dem Stichwort Weitere Kommentare , aber ihm fiel nichts ein. Der Polizist drückte die Mine des Kugelschreibers weg, zuckte mit den Schultern und fuhr zusammen, als ihm kalter Regen von der Uniformmütze in den Nacken tropfte. Er fragte sich, was zum Teufel mit dieser Frau los sein mochte, dass sie nicht wie alle anderen bremste.

Im Inneren des Krankenwagens, Einheit Nummer 72, North West Ambulance Service
    Der Regen strömte über die Heckscheibe, als der Sanitäter Zoe bequem auf eine Trage setzte. An der Trage befand sich ein Schild mit dem Hinweis, sie sei für Patienten mit einem Gewicht von bis zu vierhundert Kilogramm geeignet.
    »So viel wie ein ausgewachsener weiblicher Büffel«, bemerkte der Sanitäter, um von etwas anderem zu reden als der Tatsache, dass das Unfallopfer mit voller Absicht in den fließenden Verkehr gefahren war.
    Kate lächelte und schaute auffordernd zu Zoe, doch sie hatte sich abgewandt und sah stirnrunzelnd in den Regen hinaus.
    Kate brach das Schweigen. »Haben Sie oft mit Büffeln zu tun?«
    »Jedenfalls mit Damen, die wirklich gerne Süßigkeiten essen. Wir haben sogar einen Kran, um sie auf die Trage zu heben, wir nennen ihn den Doughnut-Express.«
    Kate musste lachen, doch Zoe war immer noch mit den Gedanken woander. Kate hielt ihre Hände fest, während der Sanitäter mit einer Pinzette den Schmutz aus einem tiefen Kratzer an ihrem Unterarm entfernte. Sie rechnete nicht damit, dass Zoe zusammenzucken würde, was sie auch nicht tat. Nur wenn sie ganz genau aufpasste, spürte sie ein leises Beben ihrer Finger, wenn die Pinzette ein Steinchen herausholte.
    »Würdest du mich bitte anschauen?«, fragte Kate sanft.
    Zoe sah aus dem Heckfenster.
    »Sieh mich an!«
    Gereizt drehte Zoe sich zu ihr um. Der Sanitäter hielt inne, bis sie wieder ruhig saß. Als er weiterarbeitete, fielen die winzigen Schotterstückchen klirrend in die Schüssel aus Chirurgenstahl. Der Krankenwagen fuhr ohne Sirene in normalem Tempo. Die beiden Leuchtstoffröhren an der Decke verströmten ein grelles, krankhaftes Licht.
    »Warum hast du das getan?«
    »Ich wollte gewinnen.«
    »Du hättest sterben können.«
    »Daran habe ich nicht gedacht.«
    »Nein. Offensichtlich nicht.«
    Zoe verzog böse das Gesicht. »Wer bist du? Meine Mutter?«
    »Ich kenne dich länger, als sie dich gekannt hat.«
    Wieder schaute Zoe aus dem Fenster. »Klar, aber wenn ich unter dem Auto gelandet wäre, hätte es dir manches leichter gemacht.«
    Kate drehte Zoes Gesicht zu sich herum.»Sieh mich an. Wenn du unter dem Auto gelandet wärst, wäre ich auch gestorben.«
    Der Sanitäter hielt wieder inne, das Klirren verstummte.
    »Ich wüsste nicht, wieso«, erwiderte Zoe. »Du hast Dinge, für die du leben kannst. Du hast alles.«
    »Nicht alles.«
    Zoe atmete gereizt aus. »Herrgott, Kate. Das ist ein Klumpen gelbes Metall an einem glänzenden roten Band.«
    »Leicht gesagt, du hast sie ja gewonnen.«
    »Ja, ja.«
    »Weißt du was, es ist mir egal. Solange wir beide in London ins Finale kommen und auf dem Podest stehen, ist mir egal, wer von uns gewonnen hat.«
    »Mir auch. Vorausgesetzt, ich bin es.«
    Kate schüttelte lächelnd den Kopf. »Ehrlich, Zoe, was sollen wir nur mit dir machen?«
    »Es geht mir gut.«
    »Wirklich? Ich mache mir Sorgen. Du wirkst ein bisschen unkontrolliert.«
    »Die Straße war nass, Kate. Wir stürzen und bluten, das kommt vor. Die Mädchen, die nicht damit leben können, haben schon vor Jahren aufgehört.«
    Kate seufzte. »Ich rede nicht von Stürzen. Ich rede von echten Schäden.«
    Zoe sah weg, und Kate drückte ihre Hände. »Wir müssen einander doch nicht immer fertigmachen, oder? Wir können

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