Goldaktien
»Lassen Sie uns noch eine Weile im Mondschein spazieren fahren.«
Mir war es, als sei in der Nähe eine Straße, die auf das Plateau oberhalb des Flusses führen mußte, und die fand ich schließlich auch. Als wir uns etwa dreihundert Meter über der Talsohle befanden, bog ich von der Asphaltstraße in einen Feldweg ein und parkte dann an einer Stelle, von der aus wir das Land unter uns weithin überblicken konnten. Von hier oben schienen die Felstrümmer nicht so schimmernd weiß. In dem sanften Mondlicht war das ganze Tal ein Stück der Nacht mit ihren Sternen und dem geheimnisvollen Rascheln und Raunen der unsichtbaren Tierwelt.
Ich schaltete die Beleuchtung und den Motor ab. Alta rückte etwas näher zu mir. Die Schatten in den Schluchten und zwischen den Bäumen waren tiefschwarz, die Hügelkämme vom Licht des Mondes überflutet, und unter uns das Tal lag im silbergrauen Glanz.
Ich spürte Altas Körper und hörte ihr ruhiges, gleichmäßiges Atmen. Als ich sie nach einer Weile anblickte, weil ich vermutete, sie sei eingeschlafen, hatte sie die Augen weit offen und genoß das herrliche Bild der Landschaft. Einmal gab sie einen Seufzer tiefen Wohlbehagens von sich, sah dann plötzlich hoch und fragte: »Donald, gefällt's Ihnen so?«
Statt einer Antwort beugte ich mich zu ihr vor und berührte mit den Lippen zart ihre Schläfe.
Für einen Moment dachte ich, sie wollte mir ihren Mund zum Kuß hinhalten, doch sie schmiegte sich nur etwas mehr an mich und saß ganz still.
Nach längerem Schweigen sagte ich: »Wollen jetzt lieber abfahren, damit wir schon beim Autohotel sind, wenn Ihr Vater ankommt.«
»Ja, das ist wohl richtiger.«
Wir hatten bereits die kurvenreiche Flügelstraße bis zu den Außenbezirken von Valleydale hinter uns, als sie wieder sprach. »Donald, dafür könnte ich Sie ewig liebhaben.«
»Wofür?«
»Ach, für alles da oben.«
Ich erwiderte lachend: »Ich bin doch nicht schuld, daß die Landschaft zu dieser Stunde so schön war.«
»Nein«, sagte sie, »und es gibt noch etwas, woran Sie gar nicht erst schuldig geworden sind — ach, Donald, Sie sind ja so ein feiner Kerl!«
»Warum sagen Sie das?« fragte ich.
»Ich hatte es Ihnen eben nur sagen wollen. Mit keinem anderen Menschen hätte ich dies so schön empfunden. Die Männer, die ich sonst kenne, reden entweder zuviel oder hätten mich zuviel getätschelt oder gar bedrängt. Bei Ihnen fühlte ich mich so gelöst, als gehörten Sie zu dem Landschaftsbild und das alles zu mir.«
»Mit anderen Worten: Ich bin also so etwas wie ein lahmer Hase. War es so gemeint?«
»Donald, hören Sie auf, Sie wissen doch genau, daß das nicht wahr ist.«
»Kein Mann kann es als ein Kompliment ansehen, wenn ein Mädchen behauptet, sich bei ihm >vollkommen sicher< zu fühlen.«
Ihr Lachen klang nervös. »Wenn Sie wüßten, wie unsicher ich mich vorhin neben Ihnen fühlte, würden Sie erstaunt sein. Ich meinte doch nur, daß sich alles so harmonisch zusammen... Ach, warum versuche ich überhaupt, es zu erklären? Darauf verstehe ich mich sowieso nicht. Können Sie nicht auch mit einer Hand steuern, Donald?«
»Kann ich.«
Sie nahm meine rechte Hand vom Lenkrad, legte sie um ihre Schultern und kuschelte sich an mich. Langsam fuhr ich durch die menschenleeren Straßen der kleinen Stadt, dieses fast nur von Erinnerungen bewohnte Geisterstädtchen mit den Häusern, die keine Farbe mehr hatten, den Bäumen, in deren breiten Kronen von blanken Blättern das Mondlieht gleißend tanzte. Die Schatten unter ihnen sahen schwarz wie Tusche aus, als hätte ein dicker Pinsel sie hingekleckst.
Henry Ashbury erwartete uns schon vor dem Autohotel. Er war mit einem gecharterten Flugzeug gekommen und das letzte Stück in einem Mietauto gefahren.
»Du hast ja deinen Fahrplan noch übertroffen, Papa!« empfing ihn Alta.
Er nickte, musterte uns mit fragendem Blick, schüttelte mir die Hand küßte seine Tochter und betrachtete dann wieder mich, ohne ein Wort zu sagen.
»Na, nun sei doch nicht so reserviert«, sagte Alta. »Hoffentlich hast du in deinem Koffer auch eine Flasche Whisky mitgebracht. In dieser Stadt sind jetzt die Geschäfte schon geschlossen.«
Wir gingen zusammen in die Doppelkabine, die Alta für sich und ihren Vater gemietet hatte, und nahmen Platz, während sie uns einen heißen Whiskytrunk zubereitete, den sie in Tassen servierte.
»Was haben Sie hier feststellen können?« fragte mich Ashbury.
»Nicht gerade sehr viel, aber einiges«,
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