Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GOLDAUGEN (German Edition)

GOLDAUGEN (German Edition)

Titel: GOLDAUGEN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Graser
Vom Netzwerk:
Sie hob mich hoch und wir gingen zur neuesten Errungenschaft meines Vaters. Er fegte beim Bremsen mit den Reifen üppig Kies beiseite, das sah lustig aus. Ich hörte schon das Fluchen unseres Gärtners, der diese Spuren wieder wegmachen musste.
    Meine Mutter rief:
    »Philippe, der ist ja wunderschön.«
    Und mein Vater antwortete:
    »Ja, Claudette, fast so schön wie meine beiden Engel … wollt ihr mit, eine kleine Runde drehen? Ich muss zu Alain in die oberen Weinhänge. Dann könnt ihr den neuen Alfa gleich mal genießen.«
    Sie alberten noch ein wenig herum.
    Meine Mutter konnte nicht, da am Abend Besuch angesagt war, sie wollte dem Personal zur Hand gehen. Dann nahm mich mein Vater unter den Arm, kitzelte mich erst einmal durch und wir brausten los. Es war das damals - neue „Alfa Romeo Montreal Sportcoupé“. Den haben wir ja immer noch in unserer Sammlung, du findest ihn heute noch erotisch. Er ist halt ein Klassiker und für mich ein besonderes Erinnerungsstück. Mein Dad freute sich so, wie sich halt nur erwachsene Buben über ein Auto freuen können. Er schwärmte:
    » Dieser Bolide hat 200 PS, er fährt zwar nicht so schnell wie der Lamborghini oder Ferrari, aber auch fast 220 km/h. Und noch niemand anderes in Frankreich besitzt ihn!«
    Seine Freude sprühte förmlich aus seinen Poren. Klar hatte der WAC schon ganz andere Kaliber in der Sammlung, aber in dieses Automobil hatte er sich verliebt. Er hatte für die Zeit ein wirklich überragendes Fahrwerk. Obwohl ich ja so jung war, wusste ich damals schon, was er meinte.
    Mein Dad sprach mit mir, wie mit einem großen Jungen. Ich war so glücklich …
    Wir hatten so viel Spaß und lachten, es war das vorletzte Mal, dass er mir so nah e war. Er heizte durch unser schönes Land, aber besonnen und kontrolliert.
     
    Wir drifteten durch die Gegend, mit offenen Fenstern, der Fahrwind kühlte unsere Gemüter nur wenig. Bis wir im besagten Weinberg waren und sich alles für immer verändern sollte! Ich rieche heute noch die vollen überreifen Trauben, es wurde ein ganz besonderes Weinjahr. Alle unsere Arbeiter freuten sich über das neue Auto, wollten es begießen, damit es nicht quietscht. Er versprach natürlich allen, ein großes Fest zu geben, nicht wegen des Alfa, natürlich wegen den übervollen Weinstöcken. Während der Arbeit gab es natürlich kein Alkohol, das wussten alle Angestellten. Wir saßen zusammen und aßen herrliche, einfache Speisen. Es war eine sehr herzliche Atmosphäre, das gab es so wohl nie wieder. Diese Menschen arbeiteten wirklich gern bei uns, ob das heute noch so ist, bezweifle ich ein wenig. Mein Vater wollte eigentlich mit Alain, unserem damaligen Winzermeister und Vorarbeiter reden, aber der war noch nicht wieder da. Er brachte volle Butten mit dem Transporter in den Weinkeller. Während wir warteten, half mein Vater, wo er nur konnte, er war sich zu nichts zu fein. Die Trauben wurden nur mit der Hand von den Rebstöcken gepflückt, das machen wir ja heute noch so. Ich tobte ein wenig in der Gegend herum, was sollte auf einem Weinberg auch geschehen? Ab und zu hörte ich meinen Vater nach mir rufen. Ich rief quietschfidel zurück, alles war in bester Ordnung. So spielte ich mit einigen Ameisen, die in meinen Schweißtropfen badeten und die Zeit verrann.
    Ich saß nicht inmitten der Spalierziehung der Reben, sondern an einem breiteren Weg, wo der Transporter die Butten aus Metall mit den Beeren immer auflud. Gedankenverloren nahm ich die Umwelt nicht mehr wahr. Ich habe den dreiachsigen Transporter nicht gehört und der Fahrer - Alain Enardy - hat mich auch nicht gesehen. Er fuhr über meine zarten Beine.
    Mein en Schrei hat man sicher im fünfundvierzig Kilometer entfernten Bordeaux gehört. Die Schreie meines Vaters sicher im hintersten Winkel des Himmels!
    Dafür, dass es damals noch keine Handys gab und jemand im Dorf nach Hilfe telefonieren musste, kam ein Rettungshubschrauber in Windeseile.
    Für meinen Vater muss es die schlimmste und quälendste Stunde seines Lebens gewesen sein. Ich lag ohnmächtig und blutverschmiert in seinen Armen, nur mein flacher Atem gab ihm Hoffnung und Stärke. Wenn ich es nicht überlebt hätte, wäre er mir an diesem Tag gefolgt.
    Trotz seines festen G laubens bin ich davon überzeugt. Die nächsten Jahre ist das wirkliche Leben an mir und Dudley vorbeigezogen. Die Schmerzen gingen, die vielen Untersuchungen und Operationen wurden weniger, nur zwei Dinge hatten Bestand:
    Ich kann nicht viel mit

Weitere Kostenlose Bücher