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Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
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nachdenken. »Ich würde gern Pearl Bucks Grab in Amerika besuchen.«
    Rouge lächelte. »Das hatte ich mir schon gedacht.«
     
    Rouge hatte die praktische Ader ihres Vaters geerbt. Obwohl Macht sie nicht interessierte, wusste sie doch, was man damit bewirken konnte. Der Antrag, in dem Rouge meinen Wunsch formulierte, nach Amerika zu reisen, klang, als würde die Kommunistische Partei von diesem Besuch profitieren.
    Als ich einen Reisepass beantragte, befürchtete ich, dass mein Antrag abgelehnt würde. Allen in China war bewusst, dass die Rede von der Politik der offenen Tür keineswegs bedeutete, dass auch normale Sterbliche jederzeit ins Ausland reisen konnten, und schon gar nicht in die USA . Noch lag der Schatten der Strafe, die mein Kontakt mit Ausländern nach sich gezogen hatte, schwer auf meinem Gemüt.
    Doch Rouge war optimistisch. Sie schrieb Briefe an wichtige Leute und ging persönlich zum Büro des Gouverneurs, zur Polizeidienststelle und zur Reisepassbehörde. Sie zögerte nicht, ihre Stellung als Parteichef hervorzukehren.
    »Weide Yees Reise nach Amerika wird eine Brücke zwischen China und Amerika schlagen«, beharrte Rouge. »Chinkiang strebt an, ein mustergültiges Beispiel für Deng Xiaopings neue Auslandspolitik zu sein. Weide Yee, eine loyale Einwohnerin dieser Stadt, will nur ihrem Land dienen. Als Parteiführerin schlage ich vor, das auszunutzen, solange sie noch lebt.«
     
    Vor meiner Abreise nach Amerika ging ich zu Caries Grab und füllte etwas Erde in einen Beutel, den ich in den Koffer neben meine Medizin legte. Obwohl ich altersbedingt nur etwas steif war, machten die Ärzte sich Sorgen. Sie glaubten nicht, dass ich für so eine lange Reise fit genug sein würde.
    Ich wusste es besser. Ich hatte dafür gelebt, Pearl ein letztes Mal zu sehen. Allerdings behielt Rouge recht mit ihrer Befürchtung, dass das amerikanische Konsulat mir das Visum verweigern würde. Wegen meines hohen Alters wollte der Botschafter den Beweis, dass ich krankenversichert war. Wir hatten nie von einer »Versicherung« gehört und wussten nicht, worum es ging. Der Botschafter schlug vor, eine befristete Police für meine Zeit in Amerika zu kaufen. Als Rouge den Preis hörte, war sie fassungslos. »Eine dreimonatige Versicherung kostet mehr, als ein Chinese in zehn Jahren verdient!«
    Wie Papa scheute Rouge nicht davor zurück, Risiken einzugehen. Sie verdoppelte ihre Anstrengungen und ließ ihre Beziehungen spielen. Sie fand den Aufenthaltsort von General Chu, Dicks ehemaligem Zellengenossen, heraus. Dieser war nicht nur der neue Vorsitzende des Nationalkongresses, er kannte auch den amerikanischen Generalkonsul persönlich. Kurz darauf wurde meinem Visumsantrag stattgegeben. Während Rouge die letzten Einzelheiten meiner Reise regelte, spazierte ich mit Hilfe meiner Enkel über die Hügel, auf denen Pearl und ich einmal gespielt hatten. Meine Beine zitterten, doch ich war glücklich.
    Ich musste mir Pearls Haus in Amerika nicht vorstellen, denn Rouge zeigte mir die Fotos, die ihr die Sino-Amerikanische-Freundschaftsvereinigung geschickt hatte. Es war wunderschön. Die Fotos zeigten mehrere Häuser vor einer grünen Hügellandschaft mit blauem Himmel. Ich konnte es kaum erwarten, die Inneneinrichtung zu sehen, und stellte mir Räume mit geschmackvollem Mobiliar und westlicher Kunst vor. Bestimmt hatte Pearl eine Bibliothek besessen, da ihr Bücher so wichtig waren. Und einen Garten. Sie hatte Caries Liebe zur Natur geerbt. Der Garten war sicher voller Pflanzen, deren Namen ich nicht kannte, und wunderschön.
    An was für einem Ort lag sie begraben?, fragte ich mich. Sie war in Chinkiang aufgewachsen und vertraut mit Feng Shui. Doch hatte sie es auf ihre eigene Grabstelle angewandt? Immerhin hatte sie in Amerika genauso lange gelebt wie in China. Wie ihr Grab wohl aussehen würde? Womit hatte sie sich umgeben? Ob sie einen Grabstein hatte? Mit einer Inschrift?
    Ich hatte vor, an ihrem Grab eine kleine Zeremonie abzuhalten. Ich würde selbstgemachte Räucherstäbchen von ihren Freunden in Chinkiang anzünden und die Erde vom Grab ihrer Mutter auf ihm verteilen. Ich wollte, dass sich die Seelen von Carie und Pearl vereinigten. Wenn mir das gelingen würde, wäre ich sehr glücklich.

35 . Kapitel
    D
er chinesische Botschafter in Washington, D.C., ein gutaussehender junger Mann in einem westlichen Anzug, war verärgert. Er hatte ein Fernsehteam engagiert, das meine Reise dokumentieren sollte, doch ich bestand

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