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Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
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gingen zu Zimmermann Chan und Lilac, die sich hinten in der Kirche versteckt hielten. Da die beiden keine Hoffnung hatten zu überleben, kauerten sie zusammen und weinten. Als Pearl erfuhr, dass Kaiser Kohlkopf sehr abergläubisch war, hatte sie eine Idee.
    »Ich habe das Gefühl, Menschen wie ihn aus dem Buch
Die Räuber vom Liang-Schan-Moor
zu kennen«, erklärte sie Zimmermann Chan. »Erzählen Sie mir von den Göttern, die er anbetet.«
    »Kaiser Kohlkopf betet alle möglichen Götter und Geister an«, erwiderte Chan. »Bevor er in den Kampf zieht, lässt er einen Ba-Gua-Meister zu sich kommen, der ihm sagt, was er tun soll. Er verbrennt Räucherstäbchen und macht einen Kotau vor Buddha, aber auch vor dem Sonnengott, der Mondgöttin, dem Erdgott, Kriegsgott, Wassergott, Donnergott, dem Gott von Regen und Wind und sogar dem Gott der Tiere. Kaiser Kohlkopf glaubt an übernatürliche Mächte und fürchtet die Rache sämtlicher Götter.«
     
    Das dreitägige Ultimatum war abgelaufen. Kaiser Kohlkopf verhaftete Lilac und Zimmermann Chan und hielt eine öffentliche Versammlung ab. Er war fest entschlossen, Zimmermann Chan zu enthaupten.
    Zum ersten Mal sahen Pearl und ich ihn aus der Nähe. Er hatte einen birnenförmigen Kopf, große Froschaugen, eine orangefarbene Haut und fleischige Wangen. Seine dunkelbraune Wolluniform war an beiden Schultern mit Borden und an der Brust mit Medaillen geschmückt. Er stand mitten auf dem Marktplatz, ein Schwert in der Hand und einen Trupp seiner Soldaten hinter sich.
    Pearl und ich bahnten uns einen Weg zu Kaiser Kohlkopf. Pearl trug einen Eimer mit Tinte und hatte zum ersten Mal nicht ihre schwarze Strickmütze auf. In der hellen Sonne glänzten ihre Locken wie goldene Herbstblätter.
    Zunächst schenkte ihr niemand Beachtung. Alle Blicke waren auf Kaiser Kohlkopf gerichtet. Zimmermann Chan und Lilac hatten die Hände im Rücken zusammengebunden. Kaiser Kohlkopf verkündete Zimmermann Chans Enthauptung.
    Der Henker wurde aufgefordert, eine Axt auszuwählen.
    Lilac sank auf die Knie und kroch zu ihrem Liebhaber.
    Die versammelten Menschen flehten Kaiser Kohlkopf an.
    Papa und NaiNai beteten zu Gott um Gnade.
    Die Soldaten trieben die Menschen zurück.
    Da flüsterte Pearl mir ins Ohr: »Jetzt!«
    Sie hob den Eimer und goss sich die schwarze Tinte über den Kopf.
    »Zornige Geister!«, schrie ich.
    Pearl tat, als wäre sie vom Bösen besessen, und rannte zu Kaiser Kohlkopf. Tinte lief ihre Haare hinab.
    Die Menschen schnappten nach Luft. »Zornige Geister!«
    »Schwarzes Blut!«
    Direkt vor Kaiser Kohlkopf warf Pearl sich auf den Boden. Sie fuchtelte mit den Armen, trat mit den Beinen und krümmte sich stöhnend zusammen, als würde sie von unsichtbaren Geistern gefoltert.
    »Was ist das?«, fragte Kaiser Kohlkopf laut. »Wer bist du?«
    Pearl trat um sich und stieß mehrere Worte aus, die niemand verstand.
    »Rede! Wer bist du?« Kaiser Kohlkopf war sichtlich nervös.
    NaiNai wandte sich an ihn. »Sie müssen etwas getan haben, das die Götter beleidigt hat«, sagte sie.
    Der Kriegsherr sank vor Pearl auf die Knie. »Wessen Geist du auch bist, kann ich dir helfen?« Er versuchte, seine zittrige Stimme zu festigen.
    »Ich muss mit dem Verantwortlichen sprechen«, murmelte Pearl mit rauer Stimme, die Augen fest zusammengekniffen. »Mit dem General persönlich.«
    »Ich bin der General.« Kaiser Kohlkopf erhob sich.
    Pearl fing an, englisch zu reden.
    »Was redet sie da, was?« Kaiser Kohlkopf wurde immer nervöser. »Welchen Gott repräsentierst du? Spricht er zu mir?«
    »Ja.« Ich bot dem Kriegsherrn an, für ihn zu übersetzen.
    »Was sagt sie?«, fragte mich Kaiser Kohlkopf.
    »Sie sagt: ›Das Feuer ist an Ihrer Tür‹.«
    »Feuer an meiner Tür? Was bedeutet das?«
    »Im Namen des Heiligen Geistes …«, fuhr Pearl fort.
    »Heiliger Geist?« Kaiser Kohlkopf war verwirrt. »Mutter eines Maultiers, ich verstehe das nicht!«
    »Möchten Sie, dass ich aufhöre?«, fragte ich.
    »Natürlich nicht«, erwiderte er. »Mach weiter, verdammt!«
    »Aber ihre Worte ergeben keinen Sinn.«
    »Dann gib dir Mühe und gib ihnen Sinn!«
    Ich beugte mich zu Pearl hinunter. »Ja, ich höre dich … Sind zu ihm gegangen? Das ganze Land Judäa? Moment mal.« Ich wandte mich an den Kriegsherrn. »Sie sagt, ›Alle Menschen von Jerusalem gehen zum Fluss, um ihre Sünden zu beichten‹ …«
    »Was für ein Gott ist das?«, rief Kaiser Kohlkopf verwirrt.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ein

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