Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
Vom Netzwerk:
verlieren wird.«
    Carie brauchte eine Weile, um uns verständlich zu machen, was wirklich passiert war. Absalom hatte sich nie groß um die Geschäftsbücher gekümmert, und Papa hatte ihn zudem in dem Glauben gelassen, ein Kassenbuch zu führen. Doch nun konnte Absalom kein Kassenbuch vorweisen, weil Papa alle Kircheneinnahmen ausgegeben hatte, ohne es im Einzelnen aufzuschreiben. Da Absalom ihm erlaubt hatte, Geld auszugeben, solange es für Gottes Werk war, hatte Papa – um die Zahl der Konvertierten zu erhöhen – den Großteil an Familien verliehen, die durch Hochwasser oder Sturm ihr Zuhause verloren hatten.
    »Muss deine Familie ohne Absaloms Gehalt verhungern?«, fragte ich Pearl.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Pearl. »Mutter hat den Hausangestellten schon gesagt, dass sie sie wahrscheinlich entlassen muss.«
    »Die Stadt wird diesen Pfarrer und seine Familie nicht verhungern lassen.« NaiNai wandte sich an Pearl. »Sag deiner Mutter, dass ich euch einlade, bei uns zu wohnen.«
    In den nächsten Wochen kämpften alle Einwohner von Chinkiang für Absalom. Der von der Kirchenleitung geschickte Ermittler beschuldigte Papa, ein korrupter Mann mit einer Vergangenheit als Dieb zu sein. Darauf erwiderte Absalom, dass Gott Papas Seele gerettet habe. »Seit seiner Konvertierung ist Mr Yee ein vorbildlicher Christ dieser Gemeinde.« Absalom gestand ein, dass einiges verbessert werden müsste, weigerte sich aber einzugestehen, einer missbräuchlichen Verwendung von Kirchengeldern schuldig zu sein.
     
    Der neue Pfarrer traf mit einem Schiff aus Amerika ein. Er war jung, hatte rote Haare, einen kleinen Kopf und ein weißes Gesicht. Wäre Absalom ein Löwe, so würde er eine Ziege sein. Papa wollte mit ihm verhandeln, doch er lehnte ab.
    »Gott verhandelt nicht«, sagte der neue Pfarrer und beendete das Gespräch.
    Beim nächsten Sonntagsgottesdienst übergab Papa ihm ein Bittgesuch. Sämtliche Einwohner von Chinkiang hatten es unterschrieben. Darin wurde Absaloms Wiedereinsetzung verlangt, ansonsten würden alle Kirchenmitglieder wieder austreten.
    Der junge Pastor konnte kaum glauben, was er da las. Als er, ohne das Bittgesuch zu erwähnen, mit der Predigt begann, standen die Leute auf und gingen. Kinder umringten den jungen Pfarrer und riefen: »Absalom! Gib uns Absalom zurück!«
    Der junge Mann fuhr auf dem Schiff, mit dem er gekommen war, zurück nach Amerika. Er wurde nie wieder gesehen.
    Noch vor Ende des Monats war Absalom in sein Amt wiedereingesetzt.
    Das wurde mit einem Fest in der Kirche gefeiert. Der Pappkarton quoll über mit Spenden. Absalom wurde gebeten, Zimmermann Chan und Lilac zu trauen. Es dauerte kein Jahr, und Zwillingsjungen kamen zur Welt, für die Papa sich Namen ausdenken sollte. Er besprach sich mit Absalom, und sie nannten sie Doppeltes Glück David und Doppeltes Glück John.
     
    In der Stadt Chinkiang ging es friedlich und ruhig zu bis zu dem Tag, als Zimmermann Chan sich mit einem mächtigen Kriegsherrn anlegte.
    Der Kriegsherr war erst Anfang zwanzig, aber schon entlang des ganzen Jangtse berüchtigt. Sein Spitzname war Kaiser Kohlkopf, und sein Territorium schloss auch die meisten Kanäle in der Provinz Jiangsu mit ein. Er hatte zwei Blutsbrüder, die die Einheimischen General Hummer und General Krebs nannten. Bis jetzt waren ihre größten Feinde die anderen Kriegsherren gewesen.
    Die Probleme begannen, als Kaiser Kohlkopf in die Stadt kam und Lilac begegnete. Er behauptete, Zimmermann Chan habe seine Geliebte gestohlen. Die beiden Männer stritten, und Kaiser Kohlkopf schwor Rache.
    Auf Papas Fragen hin gestand Lilac die Wahrheit: Sie hatte eine Nacht mit dem Kriegsherrn verbracht und eingewilligt, seine Konkubine zu werden. Doch dann hatte sie Zimmermann Chan kennengelernt.
    »Absalom wusste das«, erzählte Lilac Papa. »Er hat gesagt, dass Gott mir vergeben und uns beschützen würde, wenn wir Jesus als unseren Retter anerkennen. Und das haben wir! Ich dachte, meine Probleme wären gelöst.«
    Papa besänftigte Lilac und Chan mit den Worten, sie sollten auf Gott vertrauen.
    Am nächsten Tag kam Kaiser Kohlkopf mit seinen Truppen zurück. Er drohte, die Kirche niederzubrennen, wenn man ihm Lilac nicht übergab.
    Papa wusste nicht, was er tun sollte, denn Absalom war gerade auf einem Predigtfeldzug unterwegs und nicht in der Stadt. Ihm blieben drei Tage, dann musste er das Paar ausliefern.
    Voller Panik schickte Papa einen Boten auf die Suche nach Absalom.
    Pearl und ich

Weitere Kostenlose Bücher