Goldener Bambus

von Cornell«, sagte sie mir.
    Auf Lossings Wunsch hin begleitete Pearl ihn ins Landesinnere, das er für sein agrarwissenschaftliches Projekt in Augenschein nehmen wollte. Pearl wurde seine Assistentin, Dolmetscherin, Führerin, Feldforschungssekretärin und übernahm die Befragung der Leute – also Mädchen für alles. Bei Tagesanbruch stand sie auf und arbeitete mit Lossing bis zur Dämmerung auf den Feldern.
    Wie ich befürchtet hatte, dauerte es nicht lange, und Pearl verlor ihren Enthusiasmus. Doch sie kämpfte gegen die wachsende Kluft an, die sich zwischen ihr und ihrem Mann auftat.
    »Konflikte sind ein Zeichen für eine gesunde Beziehung«, erwiderte sie, als ich sie nach ihrer Ehe fragte. Es gefiel ihr, dass Lossing bekam, was er brauchte. Pearl wollte eine gute Ehefrau sein und betrachtete es als ihre Pflicht, sich liebenswürdig und fröhlich zu geben.
    »Lossing trägt eine zu große Last«, sagte sie mir. »Sein Wohlergehen hängt von mir ab.« Sie wollte nicht zugeben, dass er die Mahlzeiten, die sie ihm zubereitete, nicht einmal bewusst wahrnahm. Im Gegensatz zu Chinesen, die lebten, um zu essen, aß er, um zu leben.
    Während Carie Lossing akzeptierte, hatte Absalom mit ihm Probleme. Er missbilligte Lossings Art und Weise, das Geschäftsgebaren der chinesischen Bauern zu verurteilen. Die beiden stritten häufig und sprachen schließlich überhaupt nicht mehr miteinander. Pearl hatte recht mit der Feststellung, dass es Ähnlichkeiten zwischen Absalom und Lossing gab. Absalons Mission war es, chinesische Seelen zu retten, und Lossings Mission war es, den Chinesen die richtigen Ackerbaumethoden beizubringen. Absalom glaubte, dass der christliche Gott der einzig wahre sei. Lossing glaubte, dass seine Ackerbaumethoden die besten wären.
    Aber Pearl zweifelte daran und sagte zu Lossing: »Die Chinesen bewirtschaften seit Tausenden von Jahren den gleichen Boden durch die geschickte Verwendung von Dünger und Bewässerungssystemen. Sie haben nicht nur überlebt, sie erreichen sogar außergewöhnliche Erträge ohne moderne Maschinen!«
     
    Sobald der Gouverneur der Provinz Anhui Lossings Vorschlag akzeptiert hatte, zog das Paar weg. Lossing ignorierte den Rat des Gouverneurs, das Ende des Winters abzuwarten. Er hielt es keine Minute länger in Absaloms Umgebung aus.
    Pearl folgte Lossing nur zögernd, denn es fiel ihr schwer, ihre Mutter zurückzulassen. Sie zogen nach Nanhsuchou, eine Stadt nördlich von Chinkiang, in der Provinz Anhui. Ich fragte sie, warum Lossing in die ärmste Provinz Chinas gehen musste. »Warum kann er keinen besseren Ort finden, um sein Projekt durchzuführen?«
    »Die Bauern im fruchtbaren Süden sind mit ihren Methoden zufrieden«, erklärte Pearl. »Sie haben kein Interesse an Lossings Experimenten.«
    Der Gouverneur der armen Provinz unterstützte Lossings Vorhaben, denn er hatte wenig zu verlieren und würde gegebenenfalls von Lossings Erfolg profitieren. Was Lossing brauchte, war die Bereitschaft der Bauern, seinen Methoden zu folgen. Um das sicherzustellen, versprach der Gouverneur ihnen eine Entschädigung, falls das Experiment fehlschlug.
     
    Nach ein paar Wochen besuchte ich Pearl. Ich wollte sehen, wie es ihr erging. Ihr neues Zuhause war eine Hütte mit zwei Zimmern, in der zuvor eine christliche Missionarsfamilie gelebt hatte. Wegen der undichten Türen und Fenster konnte sie das Haus noch so oft putzen, innerhalb weniger Stunden war alles mit einer neuen Staubschicht bedeckt. Pearls Nachbarn waren chinesische Bauerfamilien, die in furchtbarer Armut lebten. Pearl war dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben. »Letzten Monat ist Feuchtigkeit durch die Wände eingedrungen«, sagte sie und zeigte mir den Schimmel unter ihrem Bett und zwischen Matratzen und Laken. »Den Deckel vom Nachttopf muss ich ganz vorsichtig hochnehmen.« Sie versuchte, unbeschwert zu klingen. »Man weiß nie, was sich darin gerade auf Nahrungssuche tummelt, zum Beispiel eine Riesenspinne oder eine uralte Stinkwanze.«
    Als ich Pearl das zweite Mal besuchte, erfuhr ich, dass sie schwanger war. »Ich bin endlich meiner offiziellen Pflichten für den Ackermeister entbunden«, kommentierte sie die aufregende Neuigkeit.
    Pearl hatte angefangen, Lossing als »Ackermeister« zu bezeichnen. »Als ich geheiratet habe, glaubte ich, nie wieder Befehle ausführen zu müssen wie als Kind bei meinem Vater.«
     
    Um ihren Sorgen zu entkommen, flüchtete sich Pearl ins Schreiben. Sie erzählte mir, dass sie