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Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
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Druckerei am Rande der Stadt. Von deren Fenster aus konnte ich die Entstehung des christlichen Krankenhauses von Chinkiang beobachten. Das zweistöckige Gebäude aus Ziegelstein wurde von Absaloms Kirche finanziert.
    Obwohl Pearl im achten Monat schwanger war, hatte sie alle Hände voll zu tun. Neben ihrer Mithilfe bei der Zeitung musste sie auch zwischen ihren Eltern vermitteln, deren Ehe am Ende war. Carie ertrug Absalom nicht mehr und verbot ihm, sie zu besuchen.
    »Geh und rette deine Heiden«, waren ihre letzten Worte an ihn.
    In einem Rattansessel sitzend, verbrachte Pearl viele Nächte am Bett ihrer Mutter. Ich kam im Morgengrauen und löste sie für ein paar Stunden ab. Manchmal nachts, wenn die Tagesausgabe ausgeliefert war, gingen Pearl und ich im Mondlicht spazieren, wie wir es in unserer Jugend getan hatten. Dann schlief Carie immer tief und fest.
    Wir sprachen über alles, über China und Amerika, meinen früheren Mann und meine Schwiegermutter sowie Pearls problematische Ehe.
    »Wie geht es deinem Ackermeister?«, fragte ich.
    »Nun, Lossing verliert gerade seine Illusionen«, erwiderte Pearl. »Er ärgert sich über die Haltung der chinesischen Bauern. Ihr Elend berührt ihn jetzt weniger, weil sie sich seinen Ideen verschließen. Seine Bemühungen haben zu nichts geführt, und die Bauern haben seine Experimente abgebrochen.«
    »Hat dich das überrascht?«, fragte ich.
    »Nein, und den Bauern gebe ich nicht die Schuld«, antwortete sie offen. »Sie haben gute Gründe, Lossing für einen Dummkopf zu halten. Chinesische Bauern wissen, was ihr Land produzieren kann und was sie dafür tun müssen. Lossing glaubt, wenn seine Methode in Iowa funktioniert, muss sie auch in Anhui funktionieren.«
    »Aber die Regierung hatte doch angeboten, die Bauern zu entschädigen«, sagte ich.
    »Sie wollen aber nicht mehr Lossings Methoden anwenden, auch wenn sie entschädigt werden.«
    »Und was will Lossing jetzt machen?«
    »Er hat die ganze Zeit nach einem Ausweg gesucht. Vor zwei Wochen bot ihm dann sein ehemaliger Professor einen Lehrauftrag am College für Agrikultur und Forstwirtschaft der Universität in Nanjing an, wo er Dekan ist. Lossing hat sofort angenommen. Zum Teufel mit den Bauern in Nanhsuchou.«
    »Dann ziehst du nach Nanjing?«
    »Was bleibt mir anderes übrig?«
    »Und was ist mit deiner Mutter?«, fragte ich.
    »Ich komme sie besuchen«, erwiderte Pearl. »Gott sei Dank gibt’s die Eisenbahn.«
    Einmal wagte ich Pearl zu fragen, ob sie und Lossing sich noch liebten.
    Tränen stiegen ihr in die Augen. »Mein Gott, ich trage sein Baby in mir. Selbst wenn ich ihn nicht brauche, das Kind braucht ihn schon.«
     
    Am 4 . März 1920 wurde Carol Buck geboren. Die Geburt selbst war problemlos, doch in Pearls Gebärmutter wurde ein Tumor entdeckt. Der Arzt bestand darauf, dass sie nach Amerika ging, um den Tumor entfernen zu lassen, was sie tat. Die Reise dauerte vier Monate. Nach der Operation konnte sie keine Kinder mehr bekommen, was sie zutiefst erschütterte. Pearl schrieb: »Ich bin dankbar für die Möglichkeit, Carol all meine Liebe zu geben.«
    Pearl und Carol folgten Lossing nach Nanjing. »Wir haben Nanhsuchou einfach im Stich gelassen«, schrieb Pearl.
    Zudem befand sich Nanjing mitten im Krieg. Mehrere chinesische Kriegsherren und politische Fraktionen kämpften um die Vorherrschaft in der Stadt und den umliegenden Regionen.
    »Du kannst Dir meine Erschütterung vorstellen, als Kugeln durch unseren Garten pfiffen«, schrieb sie. »Ich versuchte, den zivilen Opfern zu helfen. Eine Frau mit einem Bauchschuss starb in meinen Armen. Ich fühlte mich so ohnmächtig.«
    Ihre Mutter sehnte sich danach, Zeit mit ihrer Enkelin zu verbringen, so dass Pearl so oft wie möglich mit dem Zug zu ihr reiste. Um das Baby im Arm zu halten, verließ Carie unter Mühen das Bett. Carol war ein pausbäckiges, hübsches Kind mit milchweißer Haut.
    Die Mutterschaft erfüllte Pearl mit großem Glück. Die Geburt ihrer Tochter rettete auch ihre Ehe. Sie beklagte sich nicht mehr über Lossing, sondern erzählte von ihrem schönen neuen Heim in Nanjing mit den vielen Bäumen und einem Bambushain hinten im Garten.
    Pearl bekam an der Abendschule der Universität eine Teilzeitstelle als Englischlehrerin. Mit den zwei kleinen Gehältern von Lossing und ihr konnten sie sich sogar Dienstmädchen leisten. »Ob du es glaubst oder nicht«, sagte sie, »aber wir haben drei, eins für die Wäsche und den Garten, eine Köchin und

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