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Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
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quälte mich zu sehen, wie sehr er ihre Aufmerksamkeit suchte, wie sehr er darauf wartete, dass sie ihm den Kopf zuwandte.

18 . Kapitel
    V
iele Jahre später, nachdem Hsu Chih-mo tot und Pearl eine amerikanische Romanautorin geworden war, den Nobelpreis und den Pulitzerpreis erhalten hatte, schrieb sie über ihn.
    Er nahm Besitz von mir mit seiner Liebe und ließ mich dann nach Hause gehen. Als ich in Amerika ankam, war die Liebe bei mir und würde es immer sein.
    Es saß oft in meinem Wohnzimmer und hielt mir mit schwungvollen Handbewegungen stundenlange Vorträge – aber wenn ich jetzt an ihn denke, sehe ich in erster Linie seine Hände. Er war Nordchinese, groß und von klassischer Schönheit. Seine Hände waren wunderbar geformt und weich wie die Hände einer Frau.
    Ich saß im selben Zimmer wie Pearl und Hsu Chih-mo. Es war mein Zuhause, doch ich fühlte mich wie ein Geist.
    Sie sprachen nicht mehr über Dick Lin.
    Hsu Chih-mo erzählte von einem berühmten Musiker, dem blinden Ah Bing, der die Erhu spielte, ein zweisaitiges Streichinstrument.
    »Ah Bing ist das perfekte Beispiel für einen Künstler
aus
dem Volk.« Hsu Chih-mo sprach hastig, um schnell auf den Punkt zu kommen. »Bevor Ah Bing Künstler wurde, war er Bettler – was die Kritiker gern ignorieren. Jahrelang zog er durch die Straßen der südchinesischen Städte, in Lumpen gekleidet und von hungrigen Hunden gebissen. Er wurde berühmt, weil seine Musik die Menschen bewegte. Seiner Erhu zu lauschen war, als höre man die Geschichte seines Lebens. Er hat mein Herz zum Weinen gebracht und den Wunsch in mir geweckt, ein guter Mensch zu sein. Dabei war er nicht losgezogen, um andere zu begeistern oder anzuführen …«
    »Was glauben Sie, woran Ah Bing dachte, wenn er spielte?«, fragte Pearl.
    »Die gleiche Frage habe ich mir auch gestellt.« Hsu Chih-mos Hände gestikulierten in der Luft wie flatternde Vögel. »Dachte Ah Bing, dass er ein Meisterwerk kreierte? War er von sich selbst eingenommen? Glaubte er, eine wichtige Rolle in der chinesischen Musik zu spielen?« Hsu Chih-mo sah Pearl an, als wüsste er gern ihre Meinung.
    »Wahrscheinlich hat er sich gefragt, wo seine nächste Mahlzeit herkommt«, erwiderte Pearl.
    »Genau!«, stimmte Hsu Chih-mo zu.
    »Ah Bing wollte mit seiner Musik gefallen, um eine oder zwei Geldmünzen von den Passanten zu bekommen«, fuhr Pearl fort. »Hunger hat ihn angetrieben. Ich kann mir vorstellen, dass er sich für die Störung entschuldigt hat. Nachts schlief er an uralten Mauern oder hinter Bahnhöfen …«
    »Ja, ja, das stimmt«, rief der Dichter Hsu Chih-mo aus. »Tagsüber spielte er die Erhu, um sein Elend zu vergessen.«
    »Ah Bing setzte den Bogen an, und Leid strömte aus den Saiten …«, fuhr Pearl fort.
    »Ja, Ah Bing, der größte Erhu-Spieler aller Zeiten. Seine Musik gilt als Symbol für den Jangtse – sie beginnt am Fuße des Himalaja und fließt über die endlosen Ebenen Chinas zum Ostmeer und weiter in den Pazifischen Ozean.«
    Sie sprachen, als wäre ich nicht mit im Raum, als würde ich nicht existieren. Ich konnte die Kraft spüren, die sie zueinander hinzog. Sie war stark. Sie waren Romeo und Julia im richtigen Leben, die Butterfly Lovers. Ich saß im Schatten hinter Hsu Chih-mo, in der Zimmerecke nahe den Gardinen. Ich hielt die Luft an, wagte nicht mich zu rühren. Minute um Minute sah ich die Liebe Wurzeln schlagen in ihren Herzen. Pearl und Hsu Chih-mo erblühten wie Blumen. Es war Schicksal.
    Staunend wurde ich zugleich Zeugin und Opfer einer großen Liebe. Das Entstehen ihrer Gefühle rührte mich, doch gleichzeitig war ich unsagbar traurig, denn mein Herz welkte dahin.
    »Ich teile Ah Bings Freude an der Wärme des Frühlings.« Pearls Stimme war sanft und leise. »Ich rieche den süßen Duft von Jasmin und sehe all die Schönheit unter dem Himmel. Ah Bings Liebe für das Leben berührt die Herzen der einfachen Menschen. Am besten gefällt mir ›Die holde Maid‹. Seine Sehnsucht nach ihr ist groß und tief, und wie er musikalisch den Sonnenschein in den Augen eines Mädchens beschreibt, bringt mich zum Weinen.«
    Hsu Chih-mo wandte sich Pearl zu, ihre Blicke trafen sich und verschmolzen.
    »In der Musik entfloh Ah Bing seinem Leben.« Hsu Chih-mos Stimme war nur noch ein Flüstern.
    »Ja«, brachte Pearl hervor. »Durch die Musik wurde Ah Bing der Held, der er sein wollte.«
    Dann schwiegen sie.
    Der Teekessel pfiff, als das Wasser kochte.
    »Entschuldigt mich.« Ich stand auf

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