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Goldener Bambus

Goldener Bambus

Titel: Goldener Bambus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anchee Min
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folgte San-bao in den alten Kirchengarten, wo das Unkraut hüfthoch stand. Schwarze Krähen flatterten durch die Luft, und Mäuse rannten zwischen den Waldbeerbüschen umher. Wir setzten uns hin. San-bao sah zu, wie ich die Nüsse aß. Als ich fertig war, legte er den Arm um meine Schultern.
    »Ich bin gut zu dir, stimmt’s?«
    Ich nickte, fühlte mich ein wenig unbehaglich.
    »Tu mir einen Gefallen«, sagte er, nahm meine Hand und legte sie auf den Schritt seiner Hose.
    Ich war entsetzt.
    »Stell dich nicht so an.« Er grinste.
    »Ich gehe jetzt nach Hause, San-bao.«
    »Komm schon, Weide.«
    »Nein, San-bao.«
    »Du schuldest mir was.« Sein Lächeln erstarb, und seine Stimme wurde eisig.
    Ich bekam Angst, stand auf und lief los, doch er war schneller.
    »Glaubst du wirklich, ich lasse eine Ente wieder fliegen, nachdem ich sie gekocht habe?« Er warf mich auf den Boden.
    Ich versuchte, freizukommen.
    Er umfasste meinen Hals und drehte meinen Kopf zur Seite. »Ich hab deine Sojanüsse bezahlt.«
    »Ich geb dir das Geld zurück.«
    »Du hast kein Geld.«
    »Ich besorge welches.«
    »Ich will es sofort!«
    »Ich hab’s nicht.«
    »Doch. Du hast etwas, das mir gefällt. Du musst mir nur erlauben, es anzufassen …« Er griff unter mein Kleid.
    »San-bao, bitte!«
    »Weide, mach keinen Ärger.«
    »Lass mich los!«
    »Hör auf, sonst tue ich dir weh.«
    »Nein!«
    »Du Schlampe!«
    »Nein!«
    Er drückte mir die Hand auf den Mund, um mich am Schreien zu hindern.
    Ich schlug mit den Armen und trat um mich, doch er war zu stark.
    Mein Kleid machte ratsch.
    Ich flehte ihn an aufzuhören.
    Doch er drückte sich auf mich.
    Die Kräfte verließen mich, und ich brach zusammen. Es gab kein Entkommen. Ich bereute meine Dummheit.
    Er drückte mein Gesicht zur Seite, und plötzlich sah ich einen Schatten. Jemand hockte hinter einer Steintafel.
    Die schwarze Strickmütze verriet, wer es war.
    »Hilfe!«, schrie ich.
    Pearl kam angerannt, und bevor San-bao reagieren konnte, traf ihn ein dicker Stein.
    Er kippte zur Seite und lag reglos da.
    »O Gott.« Pearl trat einen Schritt zurück. »Hab ich ihn umgebracht?«
    Keuchend stand ich auf.
    Pearl beugte sich nieder und hielt ihm den Finger unter die Nase.
    »Er ist nicht tot!«, rief sie. »Soll ich noch mal zuschlagen?«
    »Nein, hör auf!«, flehte San-bao und richtete sich auf.
    »Du verdienst den Tod!«, schrie ich.
    Pearl nahm den Stein.
    »Nein!« San-bao sprang hoch und rannte los.
    Pearl jagte hinter ihm her, bis er außer Sichtweite war.
    Dankbarkeit erfüllte mich.
    Pearl kam zurück und klopfte den Dreck von meinen Kleidern.
    »Danke für die Rettung, meine Freundin«, murmelte ich.
    »Ich bin nicht deine Freundin.« Sie wandte sich ab. »Lügnerin!«
    »Bitte vergib mir, Pearl. Ich tue alles, um es wiedergutzumachen.«
    »Erwartest du etwa, dass ich dir traue?« Angewidert sah sie mich an. »Du hast meinem Vater die Geldbörse gestohlen und das Geld ausgegeben. Du hast von Wang Ah-ma Pfannkuchen gestohlen und meine Mutter angelogen … du falsche Schlange!«
    Sie nahm ihren Korb und ging den Hang hinunter.
    Ich versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
    Sie sang ein chinesisches Lied, das ich gut kannte. Es hallte in den Hügeln wider. Im Schein der Sonne tanzten bunte Wildblumen in ihrem Korb.
     
    Jasmin, süßer Jasmin
    Deine Schönheit und dein Duft sind das Schönste im Frühling
    Ich möchte dich pflücken und im Haar tragen
    Doch ich habe Angst, dass du es mir übelnimmst und nächstes Jahr nicht wiederkommst
     
    Am Sonntag erfüllte lautes Stimmengewirr die Kirche. Männer tauschten sich über das Wetter und die Methoden zur Schädlingsbekämpfung aus, Frauen strickten, stickten und stopften Kleider und plauderten dabei. Ein Ruf ertönte quer durch den ganzen Raum. Kinder bewarfen sich mit Pinienkernen, Mütter fütterten ihre Babys und schimpften ihre älteren Rangen aus. Absalom schaffte es nicht, für Ruhe zu sorgen. Erst als Papa mit der Kaufmannsklingel läutete, wurde es leise.
    »Leute, der Mönch aus dem Westen braucht unsere Hilfe«, sagte Papa mit lauter Stimme. »Meiner Meinung nach bietet Absalom zwar keine Alternative, aber ein besseres Geschäft. Wir haben unsere Götter gefüttert, und sie sind fett und glücklich. Aber was haben sie für uns getan? Nichts. Deshalb will ich, dass ihr euch jetzt Absaloms Gott anseht, Jesus Christus. Jeder mit Augen im Kopf sieht, dass er schwerer arbeitet als chinesische Götter. Also, Leute, hört Absalom gut

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