Goldener Reiter: Roman (German Edition)
Scheiße an. Niemand tritt freiwillig in Scheiße, sagt er. Es passiert einem und dann ärgert man sich. Das ist das Problem.
Ach nee, sage ich.
Ja, sagt René. Er grinst. Und das werde ich jetzt ändern. Ich trete ab jetzt immer absichtlich in die Scheiße. Dann brauche ich mich nicht zu ärgern.
Toll, sage ich, aber in Wirklichkeit weiß ich nicht, was daran toll sein soll.
René tritt in den Hundehaufen. Die Kacke spritzt. René hat auch Turnschuhe an, aber billige mit einem Streifen von ALDI. Da kann man natürlich auch in Hundehaufen treten. Ich stelle mir René vor, wie er heute Abend auf dem Balkon hockt und die Scheiße mit einem Stöckchen aus den Rillen kratzt.
René grinst. Geil, sagt er. Das mache ich jetzt immer. Er zeigt mir die Sohlen von den Turnschuhen. Auch der Rand und das Leder sind bekleckert.
Toll, sage ich. René grinst.
Willst du auch?
Nein, sage ich.
Na, dann weiter, sagt er und zieht mich am Arm.
24
Flugzeuge. Schiffe. Panzerspähwagen.
Flugzeuge, die ein schwarzes Kreuz auf den Flügeln haben und im Ersten Weltkrieg geflogen sind. Ich sehe mir das Buch an, das ich von Mark ausgeliehen habe. Ich sehe es an und ich sehe es auch wieder nicht an. Krieg finde ich nicht so interessant. Was interessant ist, ist der Geruch, der von unten in mein Zimmer kriecht. Gerade bin ich eine Nase. Ein leerer Bauch und eine Nase bin ich. Es riecht verbrannt im Haus. Es kommt aus der Küche. Es ist mein Mittagessen, das da brennt. Ich klappe das Buch zu.
Die Küche ist voller Qualm. Ich bin die Treppe hinuntergegangen. Es stinkt in der Küche. Es kneift in den Augen. Ich stelle den Herd aus. Ich reiße die Terrassentür auf. Ich wedel den Qualm weg. Auf dem Herd steht eine Pfanne. In der Pfanne liegen längliche Kohlestücke. Das hätten einmal Fischstäbchen werden sollen. Ich lasse Wasser auf die verkohlten Fische laufen. Es zischt und brutzelt, neuer Qualm steigt auf.
Die Wohnzimmertür ist geschlossen. Meine Mutter sitzt auf dem Sofa. Sie kichert. Meine Mutter sitzt auf dem Sofa und ist mit Kichern und Mit-sich-selbst-reden beschäftigt.
Was machst du da, sage ich. Meine Mutter guckt mich an. Als hätte ich sie bei etwas Wichtigem gestört. Sie guckt mich an, sie sagt nichts.
Das Essen verbrennt auf dem Herd, sage ich.
Wirklich, sagt meine Mutter. Wirklich, sagt sie.
Ich sage nichts.
Meine Mutter kichert. Es verbrennt, sagt sie. Ohoho, es verbrennt. Oho.
Mama, sage ich. Etwas anderes fällt mir nicht ein.
Es brennt, sagt meine Mutter. Sie schaut mich an, ernst auf einmal. Mit großen Augen.
Ich mache die Terrassentür zu. Meine Mutter habe ich auf dem Sofa sitzen gelassen. Ich schaue ins Tiefkühlfach, es sind noch Fischstäbchen in der Packung. Ich muss mir ein Mittagessen machen. Man braucht ein Mittagessen. Zu den Fischstäbchen mache ich Kartoffelpüree. Das steht im Schrank. Kartoffelpüree geht einfach. Da braucht man nur Wasser oder Milch dazuzugeben. Das steht auf der Packung. Kartoffelpüree und Erbsen und Möhren gibt es zu den Fischstäbchen. Erbsen und Möhren sind auch einfach. Die Erbsen und Möhren sind in einer Dose. Da muss man eine Soße zu machen, zu den Erbsen. Mit Mehl oder so, das weiß ich nicht genau.
Ich müsste meine Mutter fragen.
Es gibt einfach nur Fischstäbchen und Kartoffelpüree, beschließe ich. Ohne Erbsen. Das ist auch gut. Mit Ketchup.
25
Ich bin mit dem Rad unterwegs. Eine Plastiktüte baumelt an meinem Lenker. Es ist nicht leicht, das Gleichgewicht zu halten, mit einer Plastiktüte am Lenker. In der Tüte ist das Buch von Mark. Das Buch mit den Flugzeugen und dem Krieg. Ich bringe es zurück, weil ich es ausgelesen habe. Ich lehne mein Fahrrad an Blooms Hecke. Ich mache die Gartentür auf. Bücher mit richtigen Geschichten finde ich besser.
Das Haus von Blooms hat ein spitzes Dach und ist aus roten Steinen. Die Tür hat gelbes Glas, durch das man sehen kann, ob jemand in den Flur kommt. Es ist niemand im Flur. Ich drücke auf die Klingel. Ich sehe, wie jemand die Treppe herunterkommt. Frau Bloom macht die Haustür auf.
Sie ist nicht richtig angezogen. Sie hat einen Bademantel an und nackte Füße. Jetzt geht es bei ihr auch schon los. Und der Bademantel ist nicht richtig zu. Ich kann weiße Haut mit Leberflecken darauf sehen. Frau Bloom sollte mir so nicht die Tür öffnen. Mir wäre es peinlich an Marks Stelle. Mütter laufen nicht in offenen Bademänteln herum. Hallo, Jonas, sagt Frau Bloom. Ihre Stimme klingt ebenfalls nicht
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