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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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verstehe nichts, höre ich René rufen, es ist so laut!
    Ich höre Frau Niemann, aber ich bin schon runter vom Dachboden. Ich stehe in meinem Zimmer und ziehe mir meine Jeans an. Über die Schlafanzughose. Ich schaue aus dem Fenster. Ich weiß nicht, was ich tun soll. René, rufe ich. Ich höre René die Leiter herunterkommen.
    Es klingelt Sturm an der Haustür.
    Die soll sich mal nicht so anstellen, sagt René. Er steht in der Tür zu meinem Zimmer und grinst. Frau Niemann zetert vor unserer Tür herum. Sie klopft gegen die Haustür. Die geht schon wieder weg, sagt er.
     
     

91
    Was machst du für Sachen, sagt meine Mutter. Sie klingt, als wäre sie kurz vorm Einschlafen, aber irgendjemand weckt sie immer wieder auf. Ich sitze auf der Treppe. Ich schaue mich im Spiegel an. Wie auf einem Babyfoto: Baby liegt auf einer Decke mit einem Telefonhörer am Ohr.
    Jonas, am Ende kommst du ins Heim. Du kannst nicht allein zu Hause sein. Das kann ich niemandem erklären.
    Quatsch, sage ich. Mama, ich war bloß auf dem Dach. Das ist nicht gefährlich.
    Jonas, sagt meine Mutter. Ich habe Frau Niemann erzählt, dass ab morgen deine Tante Margret auf dich aufpasst. Bis ich wieder nach Hause komme. Erinnerst du dich an Tante Margret?
    Nein, sage ich. Es kommt niemand in mein Haus. Wer ist das? Niemand. Mein Haus. Dabei weiß ich schon, wer Tante Margret ist. Tante Margret ist die Schwester meiner Mutter. Ich habe sie lange nicht gesehen, weil sie sich nicht vertragen. Das ist so unter Geschwistern. Tante Margret hat blonde Haare. Meine Mutter hat dunkle Haare. Meine Mutter ist die ältere Schwester. Es gibt ein Foto, wo Tante Margret mit mir auf dem Arm am See steht. Da bin ich noch ganz klein. Tante Margret ist auch in den Westen gegangen, später als meine Mutter.
    Margret ist meine Schwester, sagt meine Mutter. Du hast sie schon lange nicht mehr gesehen. Aber eigentlich müsstest du dich an sie erinnern.
    Nein, sage ich.
    Ich habe mit ihr telefoniert. Sie kommt morgen an und bleibt für eine Weile.
    Das ist nicht nötig, sage ich.
    Jonas, sagt meine Mutter.
    Mama, sage ich.
    Ich brauche neue Wäsche, sagt sie. Kommst du mich besuchen?
    Ja, sage ich.
    Sie kommt morgen Nachmittag, sagt meine Mutter.
    Ja, sage ich.
     
    92
    Was ist das?, frage ich. Dirk hat mich abgeholt.
    Das ist ein Luftpumpengewehr, sagt er. Das habe ich erfunden.
    Aha, sage ich. Und wie funktioniert das?
    Stell dich mal da hin, da vor die Büsche, sagt Dirk. Ich stelle mich vor die Büsche. Dirk geht zehn Meter weit weg und holt einen Korken aus seiner Hosentasche. Er quetscht den Korken in den oberen Teil der Luftpumpe. Dirk hat den oberen Teil abgeschnitten, wo die Luft herauskommt. Die Luftpumpe ist jetzt bloß ein Rohr. Dirk legt die Luftpumpe mit dem Korken im Rohr an. Ich stehe da vor den Büschen. Dirk pumpt. Der Korken saust neben mir in die Büsche, auf der Höhe von meinem Kopf.
    Spinnst du, sage ich. Du spinnst ja wohl, das hätte in die Augen gehen können.
    Quatsch, sagt Dirk. Ich habe genau gezielt. Das ist eine Präzisionswaffe. Dirk kommt auf mich zu. Hast du zu Hause eine Luftpumpe?
    Ja, sage ich.
    Dann machen wir dir auch ein Gewehr, sagt Dirk. Guck mal, du musst das hier vorne absägen und dann musst du einen Korken nehmen und es damit laden. Das ist alles. Ich sehe mir das Gewehr an.
    Geil, ne?, fragt Dirk.
    Ja, sage ich.
    Wir gründen eine Bande, sagt Dirk. Er bückt sich in die Büsche, um seinen Korken zu suchen.
     
    93
    Jonas, ruft Tante Margret aus dem Keller. Ich stehe in der Küche und schmiere mir ein Kirschbrot. Die Kellertür ist angelehnt. Ich kann sie einfach zumachen und abschließen, dann habe ich meine Ruhe. Dann bin ich allein. Jonas, ruft sie, komm mal. Ich beiße von meinem Kirschbrot ab. Sauerkirschmarmelade. Lieblingsmarmelade. Ich schaue mir die Bissstelle im Brot an. So sieht mein Gebiss aus. Wie auf einem Werbefoto. Ich halte ein angebissenes Brot in meiner Hand. Jonas, brüllt Tante Margret im Keller.
    Sie steht im Wäschekeller. Neben der Waschmaschine steht sie. Sie ist wütend. Das kann ich an ihrem Gesicht erkennen. Sie steht direkt unter der Lampe. Eigentlich ist die Lampe im Wäschekeller gar keine Lampe, sondern bloß eine Glühbirne. Die Decke ist niedrig. Tante Margret steht neben der Waschmaschine unter der Glühbirne und ihr Kopf leuchtet. Es sieht aus, als hätte sich das Licht in ihrem Haar ein Nest gemacht. Ich kann trotzdem erkennen, dass sie wütend ist.
    Wie funktioniert diese

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