Goldener Reiter: Roman (German Edition)
Scheißwaschmaschine?, sagt sie. Sie hat die Arme vor der Brust verschränkt. Kannst du mir das vielleicht mal erklären. Als wäre ich schuld daran.
Nein, sage ich.
Tante Margret hockt sich vor die Waschmaschine. Worauf muss man denn den blöden Programmwähler drehen? Auf B oder was. Und wie geht das Ding an? Muss man den Knopf rausziehen oder drücken oder was? Jonas!
Ich weiß es nicht, sage ich. Ich gucke wie ein Kind. Harmlos gucke ich.
Das musst du doch wissen, sagt Tante Margret und guckt zu mir hoch. Wie hast du denn sonst deine Wäsche gewaschen?
Ich hatte noch genug saubere Wäsche, sage ich.
Sie dreht an dem Programmwählerknopf herum, aber sie macht es falsch. Da kommt sie nicht drauf ohne meine Hilfe. Ich hätte das auch nicht gewusst, wenn ich nicht meine Mutter gefragt hätte. Meine Mutter hat es mir auf einen Zettel geschrieben.
Und warum liegt hier dann kein riesiger Berg mit deiner Wäsche rum?
Frau Bloom hat meine Wäsche mitgewaschen, sage ich.
Tante Margret fasst mich an den Schultern an. Das mag ich nicht, an den Schultern festgehalten zu werden. Sie schüttelt mich, sie guckt mir in die Augen.
Du sagst mir jetzt auf der Stelle, wie ich diese Kackmaschine ankriege. Wenn nicht, kannst du dein blaues Wunder erleben.
Ich weiß es nicht, sage ich. Ich kann gucken wie ein Hund, das weiß ich. Bei meiner Mutter funktioniert das, immer. Ich kann sogar auf Kommando weinen, wenn ich will. Das finden die Mädchen in der Schule gut.
Soll ich erst deine Mutter anrufen?, sagt Tante Margret.
Egal, sage ich.
Sie lässt mich los und hockt sich wieder vor die Maschine. Sie guckt sich die Maschine an. B wie Buntwäsche, sagt sie. Sie dreht den Programmwähler auf B. Sie guckt die Maschine an, eine ganze Weile. Dann zieht sie den Knopf heraus. Die Maschine fängt an zu brummen. Sie muss den Wasserhahn aufdrehen. Den drehe ich jedes Mal zu. Das ist sicherer so. Warum, weiß ich auch nicht.
Wasserhahn aufdrehen, sage ich. Es ist mir herausgerutscht. Tante Margret guckt mich böse an.
Der Wasserhahn quietscht, als sie ihn aufdreht. Wasser läuft in die Maschine. Die Trommel beginnt sich zu drehen. Langsam zuerst, dann immer schneller. Wir schauen zu, wie die Wäsche sich in der Maschine dreht. Danke, sagt Tante Margret. Vielen Dank.
Sie macht das Licht im Wäschekeller aus. Sie lässt mich im Dunkeln stehen. Sie geht vor mir die Kellertreppe hoch.
94
Es ist zu warm unter der Decke. Ich muss mich bewegen. Die Decke ist zu schwer. Ich kann nicht still liegen, es geht nicht. Ich müsste rennen, einen Hügel hinunter. Ich müsste mich drehen und brüllen, bis keine Luft mehr in meinen Lungen wäre.
Ich kann nicht einschlafen, sage ich ins Dunkel. Ich habe geklopft und die Tür zum Schlafzimmer geöffnet. Ich höre die Decken rascheln. Tante Margret schläft noch nicht.
Dann leg dich wieder ins Bett und probier es weiter, sagt sie.
Das geht ja nicht, sage ich. Ich kann nicht im Bett liegen.
Dann geh in die Küche und trink ein Glas Wasser, sagt sie, mein Gott.
Kann ich hier in Mamas Bett einschlafen?, frage ich. Bei Mama darf ich das. Wenn ich nicht einschlafen kann oder schlecht geträumt habe, darf ich in Mamas Bett einschlafen.
Wie alt bist du eigentlich?, fragt Tante Margret.
Ich kann nicht einschlafen, sage ich. Das ist alles.
Ich habe mich an der Wand zusammengerollt. Sie hat den Rollladen ganz heruntergelassen. Ich liege im Schwarz und weiß, dass etwas weiter neben mir Tante Margret in demselben Schwarz liegt. Wir teilen uns ein Schwarz. Es ist merkwürdig, so neben jemandem zu liegen, den man kaum kennt. Ich kann alles spüren, das Laken, das Kissen, die Decke, aber sehen kann ich nichts.
Du atmest so laut, sagt Tante Margret. Das nervt. Kannst du bitte damit aufhören.
Ich sage nichts. Ich liege einfach so da. Ich vermeide Geräusche. Ich weiß nicht, warum sie böse auf mich ist.
Du keuchst, sagt sie. Du atmest zu laut.
Ich höre mir beim Atmen zu. Ich lasse ein wenig Luft in meinen Mund und gebe ein wenig Luft wieder an das Zimmer ab. Ich bin eine Atemmaschine. Ich kontrolliere, wie viel Luft sich im Zimmer befindet. Ich versuche, leiser zu atmen.
Hör auf damit, sagt Tante Margret. Wenn du weiter so keuchst, musst du in deinem Zimmer schlafen.
Ich sage nichts. Ich krieche dichter an die Wand heran. Ich atme in meine Hand. Ich atme unter der Decke. Ich fühle mich wie ein Fisch, der den Mund öffnet und schließt, ohne dass man etwas hört. Ich stelle mich tot. Ich höre
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