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Goldener Sonntag

Goldener Sonntag

Titel: Goldener Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Telefon.
    Arthur versuchte, den Zorn in sich zu wecken, den er in seinem Elternhaus empfunden hatte, als er den Tisch zertrümmert hatte, weil er hoffte, dass diese Energie vielleicht seinem Versuch, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, zunutze käme. Aber er war nicht wütend und konnte diese Empfindung auch nicht wieder einfangen. Er fühlte sich bloß ausgelaugt und besiegt und klein. All seine triumphierenden, mächtigen Emotionen waren dahin, verloren gegangen in dem Moment, als er von Lord Sonntag und seinen Dienern in Ketten gelegt worden war.
    »Vielleicht ist ja ein Telefon zu kompliziert«, sagte sich Arthur. »Oder die Verbindungen sind knifflig herzustellen … aber was könnte sonst noch helfen?«
    Er dachte über Bolzenschneider oder eine Metallsäge nach, doch sie würden gegen den zauberischen Stahl der Handschellen nichts ausrichten können. Genau genommen konnte Arthur sich außer den Schlüsseln oder der Harpune des Mariners nichts vorstellen, was irgendeine Wirkung auf seine Fesseln hätte.
    Ich muss eine Möglichkeit finden, das Medaillon wiederzukriegen. Es liegt doch nur irgendwo da unten am Hang! Ich brauche einen Apportierhund oder so was … ein kluges Tier, das tut, was ich ihm sage. Ich wünschte, Elefant wäre lebendig; so wie ich ’s geglaubt hab, als ich vier war …
    Arthur lächelte still vor sich hin, als er sich daran erinnerte, wie real Elefant damals gewesen war. Er dachte daran, wie er Emily erzählt hatte, was Elefant an diesem oder jenem Tag getan hatte, wobei er manchmal mit Elefants Stimme geredet und dessen Rüssel dabei bewegt hatte, um ihn sprechen zu lassen.
    Ein plötzlicher stechender Schmerz durchfuhr Arthurs Gelenke von den Füßen bis zu den Schultern, und etwas berührte ihn am Arm. Er stieß einen Schrei aus und sprang auf, denn er befürchtete, der Puppenholzfäller mit seiner Axt wäre gekommen oder, schlimmer noch, die Puppe der alten Frau mit ihrem Korkenzieher. Aber die Klapptür war geschlossen, und die zweite Berührung, die nun an seinem Knie erfolgte, war sanft. Eher ein behutsames Antippen, das vom Rüssel eines kleinen gelben Elefanten ausging, dessen funkelnde tiefschwarze Augen klug und liebevoll zu Arthur aufblickten.
    Arthur kauerte sich nieder und nahm sein Kuscheltier, das schon sein ganzes Leben lang sein Freund war, zärtlich in die Arme; er biss sich auf die Lippen, um die Schluchzer zurückzuhalten, die aus ihm hervorbrechen wollten. Elefant wartete geduldig, bis Arthur seine Fassung so weit wiedererlangt hatte, dass er sich wieder hinsetzen konnte. Der Junge sah nach oben zu dem Baum, wo das Spielzeug stecken geblieben war: Es war nicht mehr da, und der Elefant neben ihm war zweifellos eine lebende, atmende Ausgabe seines Kindheitskameraden.
    Ich habe einen Nichtling erschaffen , dachte Arthur, und er nahm an, dass er sich vor dem, was er getan hatte, fürchten sollte. Aber er hatte keine Furcht. Er war glücklich. Er war nicht länger allein, und, was sogar noch besser war, er hatte jetzt einen Verbündeten.
    »Ich bin so froh, dich zu sehen, Elefant!«, sagte er. »Ich brauche deine Hilfe wirklich dringend. Da ist ein Medaillon aus Fischbein, ungefähr so groß. Es liegt irgendwo in dieser Richtung weiter unten am Hang. Ich möchte, dass du losgehst und es findest, bitte, und es zu mir zurückbringst. Aber pass auf! Sogar die Pflanzen hier können gefährlich sein – wir haben viele Feinde an diesem Ort.«
    Elefant nickte verständig, hob den Rüssel und ließ ein leises Trompeten der Bestätigung erschallen. Dann sprang er vom Zifferblatt herunter und stapfte durch das Gras zum Rand der Terrasse.

KAPITEL ZWÖLF

    Zum Glück für alle Beteiligten brachte die Platte Susi, Abenddämmerung, Giac, Teil Sechs des Vermächtnisses und vierzig Artilleristen tatsächlich zu einem Punkt neben der Zitadelle.
    Dort trafen sie auf einen Führer der Nachhut, der sie in aller Eile an einem klaffenden Nichtsloch vorbeilotste, das sich langsam, aber unerbittlich ausbreitete wie Tinte auf Löschpapier, und dann weiter zur Zitadelle selbst führte. Dabei führte sie ihr Weg durch verlassene Gräben und über von Feuerwellen geschwärzte Erde – Hinterlassenschaft der Nichtlingsbelagerung.
    Die große Festung lag seltsam friedlich da, die Gebäude verlassen. Von der Bastion am Seeufer schraubte sich eine schwarze Rauchsäule in die Luft; sie war in Brand gesetzt worden, um das letzte Kriegsmaterial zu zerstören, das nicht hoch ins Mittlere Haus geschafft

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